Von Arno Schupp
Bremen. Frank Dahlenberg ist so etwas wie eine Rarität. Schon an der Universität gehörte er einer Minderheit an, und auch jetzt, im Berufsleben, gibt es nicht viele, die machen, was er macht. Frank Dahlenberg ist Grundschullehrer, einer der wenigen, muss man hinzufügen, denn die Klassen eins bis vier sind klar in Frauenhand. Und das ist aus kinderpsychologischer Sicht nicht unproblematisch.
Gerade einmal zwölf Prozent der Bremer Grundschulpädagogen sind männlich. In den Kindergärten ist die Quote noch geringer, dort sind es gerade mal drei Prozent. Für sich genommen scheint es zwar erst einmal egal, wer den Kindern bei Mathe, Bio und Deutsch auf die Sprünge hilft, oder wer ihnen beim Spielzeug-Sortieren unter die Arme greift. Doch zu der niedrigen Männerquote kommt noch eine zweite Komponente: Die hohe Zahl der allein Erziehenden.
Nach Angaben des Statistischen Landesamtes gibt es im Bremen schätzungsweise 23000 alleine erziehende Mütter. 15000 von ihnen haben ein Kind, der Rest hat zwei oder mehr Kinder. Kombiniert man diese Zahlen mit der Männer-Quote in Kindergarten und Grundschule, kann das im ungünstigsten Fall dazu führen, das Kinder bis zur vierten Klasse aufwachsen, ohne eine männliche Bezugsperson zu haben. Und das kann Folgen haben.
Männer spielen bei der Erziehung eine wichtige Rolle
Männer spielen in der Erziehung von Kindern eine wichtige Rolle, denn 'Kinder lernen ihr Sozialverhalten am lebenden Modell', sagt Claus Jacobs, Leiter der Psychologischen Kinderambulanz der Universität Bremen. Kinder können partnerschaftlichen Umgang, in dem Frauen und Männer einander mit Wertschätzung und Respekt begegnen, nur dann erleben, wenn es in ihrem Alltag auch Männer und Frauen gibt. Abgesehen davon ist die klassische Identifikationsfigur für einen Jungen der Mann, und wenn dieses Rollenvorbild in der Erziehung fehle, 'kann dies vorhandene psychologische Probleme durchaus verstärken', sagt der Kinderpsychologe.
Es gibt noch zahlreiche weitere Bereiche, auf die Männer bei der Erziehung Einfluss nehmen. 'Es geht beispielsweise auch um das Beurteilen, ob sich Kinder normal entwickeln oder Verhaltensauffälligkeiten haben.' Jungen würden beispielsweise mehr zum Rangeln und Rumschubsen als Mädchen neigen. Doch was ist noch normal, was schon aggressiv. 'Es ist ein Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau dies beurteilt', sagt Jacobs.
Und noch einen Grund führt er an, warum Männer wichtig sind in der Erziehung. 'In den klassischen Rollen-Stereotypen ist der Mann derjenige, der etwas riskiert, der sagt: ,Das wird schon gut gehen?. Auf der anderen Seite sind die Frauen diejenigen, die auf Sicherheit bedacht sind', erklärt der Psychologe und fügt hinzu: 'Man könnte auch sagen, dass Frauen verantwortungsbewusster sind.' Ein Kind brauche gleichwohl beide Einflüsse, um sich optimal zu entwickeln. 'Kinder brauchen eine ausgewogene Mischung.'
Das Bildungsressort hat Handlungsbedarf erkannt und gemeinsam mit der Universität und den Landesinstitut für Schule eine Kampagne gestartet, um mehr Männer an die Grundschulen zu bekommen. Mit Flyern und auf Fachtagungen werben sie um neue Pädagogen und locken mit den guten Aussichten auf einen sicheren Job, denn in den nächsten zehn Jahren wird eine große Pensionierungswelle durch die Schule rollen. 'Wer jetzt mit einem Lehramtsstudium als Grundschullehrer anfängt, der hat exzellente Chancen, bei uns eine Stelle zu bekommen', sagt Andreas Kraatz-Röper, der bei der Bildungsbehörde für den Bereich Personalmarketing zuständig ist.
Männer in die Grundschulen
'Männer in die Grundschulen' ist das gemeinsame Projekt überschrieben, das auf drei Ebenen Wirkung zeigen soll. Die Studenten, die sich bereits für die Grundschullehrer-Laufbahn entschieden haben, sollen an der Uni bestmöglich unterstützt werden, denn die Abbruch-Quote ist bei Männern hoch. Gleichzeitig soll jungen Männern frühzeitig die Möglichkeit gegeben werden, in den Job hineinzuschnuppern. Und schließlich arbeiten Bildungsressort, Uni und Landesinstitut daran, das Image der Grundschullehrer zu verbessern. Die Kampagne soll zeigen, dass der Job mehr zu bieten hat als ein bisschen singen und basteln. Und sie soll zeigen, dass auch echte Kerle in die Grundschulen passen. Kerle wie Frank Dahlenberg.
Der 40-Jährige ist über den zweiten Bildungsweg an die Grundschule gekommen - wie der überwiegende Teil der männlichen Primarstufen-Pädagogen. Doch das dürfte es mit den Gemeinsamkeiten auch schon gewesen sein. Dahlenberg ist Fußballtrainer und Pilot, war Zeitsoldat, hat anschließend Jura studiert und schließlich auf ein Lehramtsstudium umgeschwenkt. 'Vermutlich familiär bedingt', sagt er, 'denn schon meine Mutter war Grundschullehrerin.' An der Uni waren sie drei Jungs, erzählt Dahlenberg, obwohl das für ihn keine große Rolle gespielt hat. Seine Kommilitonen waren für ihn eher Menschen, die das gleiche Ziel hatten wie er selbst. Mann, Frau, das spielte keine große Rolle. Gleichwohl 'haben wir Jungs uns schnell gefunden', sagt er.
Der 40-Jährige absolvierte Uni und Referendar-Zeit und steht jetzt am Beginn seiner Lehrer-Laufbahn, die für ihn eine Art spät gefundene Profession ist. 'Als Grundschullehrer kann ich die Kinder unterstützen und ihre Entwicklung begleiten', sagt Dahlenberg. Je früher man dabei ansetzt, desto besser sei es doch. Gerade in einem Stadtteil wie Tenever, wo im Familienkreis längst nicht immer alles optimal läuft. 'Hier kann ich den Kinder bessern helfen als in jedem anderen Stadtteil', ist sich der 40-Jährige sicher. Und darum gehe es doch, ums Helfen.
Und wer weiß, sagt er, vielleicht wird es bei ihm ja eines Tages so sein wie bei seiner Mutter. 'Die wird heute noch von ihren ehemaligen Grundschülern angesprochen', erzählt der 40-Jährige. Man grüßt sich, nimmt sich ein paar Minuten zum Reden. Und das auch noch nach all den Jahren.