[WZ-Newsline, 09.11.2007]
Norbert Sanner ist einzige männliche Lehrkraft in Hobeuken. Er sieht ein Imageproblem seines Berufsstandes.
Nicht der „Normalfall“: Norbert Sanner in seiner Klasse 4 an der Grundschule Hobeuken . . . und als einziger Lehrer im Kreis der Kolleginnen.
Sprockhövel. „Guten Morgen, Herr Sanner.“ Artig begrüßen die Viertklässler der Grundschule Hobeuken ihren Klassenlehrer. Für sie ein alltägliches Ritual und doch nicht ganz normal, denn die Anrede „Herr“ ist in Grundschulklassen in NRW die Ausnahme, auch in Sprockhövel. An den fünf Grundschulen der Stadt gibt es derzeit nur drei männliche Lehrkräfte.
Woran das liegt? Norbert Sanner hat sich darüber kaum Gedanken gemacht. Für ihn war es ganz normal, dass er in der Lehrerausbildung und dann ab 2000 im Schuldienst nur auf wenige Kollegen getroffen ist. „Ich habe ganz bewusst die Grundschullaufbahn gewählt, weil ich meine, da noch mehr bewegen zu können. Die Kinder sind kleiner und in gewisser Hinsicht noch formbarer“, nennt er seine Motive.
So denken aber offenbar nicht viele Männer. Sanner: „Der Beruf Grundschullehrer hat auch ein Imageproblem nach dem Motto: das bisschen Schreiben, Lesen und Rechnen beibringen kann doch jeder.“ Darin sieht auch Schulrat Joachim Niewil eine der Ursachen dafür, dass sich die meisten Lehrer für die weiterführende Schulen entscheiden. Niewil: „Dabei sind die Aufgaben in der Grundschule vielschichtiger.
Man ist nicht nur Wissensvermittler, sondern viel stärker auch Organisator und Berater der Eltern.“ Die Gefahr, dass gerade den Jungen männliche Vorbilder fehlen, Kinder, die bei einer alleinerziehenden Mutter aufwachsen, vielleicht erst in der 5. Klasse männliche Führungspersonen erleben, sieht er durchaus.
Gerade hat Schulministerim Barbara Sommer dazu aufgerufen, das Ansehen des Grundschullehrerberufs zu heben, um mehr männliche Lehrkräfte an die Grundschulen zu bekommen. „Das wäre toll“, sagt Niewil, „kurzfristig ist aber wohl nichts zu machen.“ An der Uni Dortmund etwa, wo er an der Grundschullehrerausbildung mitwirkt, seien zuletzt von 50 Prüflingen 49 Frauen gewesen, aktuell sei gar kein einziger Mann dabei.
Birgit Reinhold-Becker, Rektorin in Hobeuken, ist sich sicher, dass man neben dem Image auch die Rahmenbedingungen verbessern müsste. „Bei A13-Besoldung ist Schluss, sonst kann man nur noch Schulleiter werden. Da winken viele Männer ab, gerade wenn sie eine Familie ernähren müssen. Dabei ist die Belastung eines Grundschullehrers enorm hoch“, sagt sie.
Sie empfindet es als sehr angenehm, einen Mann im Kollegium zu haben. „Der nimmt manche Dinge nicht so lange wichtig, über die sich Frauen noch ärgern“, sagt sie. Auch wenn es um den Umgang mit Klamotten, um Sportunterricht oder Naturwissenschaften gehe, hätten Männer oft einen lockereren Zugang, der gerade den Jungs gut tue. So wünscht sich auch Judith Kurth, Schulleiterin in Gennebreck, gerade für den Sportunterricht einmal einen Lehrer. Den gibt es an ihrer Schule seit Jahren nicht.
Empfinden die Viertklässler in Hobeuken es denn als Vorteil, einen Lehrer zu haben? „Eigentlich egal“, sagt Joachim, ergänzt dann aber „der kann gut Fußball spielen.“ Eilean meint: „Lehrer haben eine lautere Stimme und können uns besser ermahnen.“
Dass Sanner in der Pause drei Poesiealben zugesteckt bekommt, nennt der Lehrer eher Zufall. „Die bekommen unsere Lehrerinnen genauso“, versichert er.
Von Günter Hiege