Kampf gegen das Weichei-Image

[KSTA.de, Von Sandra Kiepels, 28.10.08]

Nur wenige Männer wollen Grundschullehrer werden. Das hat viel mit dem Weichei-Image des Studiengangs zu tun. An der Universität sind Andreas, Tobias und Simeon in der Tat Sonderlinge. In der Grundschule sind jedoch sie Stars.

Zu wenig Frauen in Führungspositionen, zu wenig Frauen mit Professur, zu wenig Frauen im Ingenieurberuf. Jahrelang war der Blick der Öffentlichkeit einzig darauf gerichtet, wo in der Berufswelt Frauen fehlen. Doch es gibt auch Berufszweige, in denen akuter Männermangel herrscht. Und während der Frauenanteil in den typischen Männerberufen langsam steigt, tun sich Männer wesentlich schwerer, in einem typisch weiblichen Job zu arbeiten.

Andreas Schwartz (23), Tobias Engelmayer(20) und Simeon Schlicht (20) sind Ausnahmen: Sie wollen Grundschullehrer werden. In Nordrhein-Westfalen hätten sie im Moment fast nur Frauen als Kollegen: 89,9 Prozent der Grundschullehrer sind weiblich. NRW-Schulministerin Barbara Sommer findet das problematisch: „Jungen brauchen für ihre Entwicklung männliche Vorbilder. Das gilt besonders in der Grundschule,“ sagt sie und kämpft deswegen gegen Geschlechterklischees: „Männer, die in der Grundschule arbeiten, sind »starke Typen« und keine »Weicheier«.“

Alte Rollenmuster

Doch an dem Geschlechterverhältnis an den Grundschulen wird sich sobald nichts ändern. Denn von den rund 43 000 Studenten, die im vergangenen Wintersemester für das Grund- und Hauptschullehramt eingeschrieben waren, sind etwa 36 000 weiblich. Andreas, Tobias und Simeon gelten deswegen an der Kölner Universität als Exoten.

„In manchen Vorlesungen und Seminaren sitzt man wirklich alleine unter Frauen“, sagt Simeon. Und Andreas erzählt: „Meine Umgebung reagierte ziemlich überrascht, als ich erzählt habe, dass ich Grundschullehrer werden will. Vor allem meine Freunde fanden mein Studium sehr ungewöhnlich - da merkt man schon, dass viele noch in alten Rollenmustern verhaftet sind.“ Ähnliche Erfahrungen hat auch Simeon gemacht: „Manchmal wird man in Gesprächen über das Studium schräg angeguckt - als wäre man ein Sonderling. Einer sagte zu mir: »Grundschullehrer - da verdient man doch viel weniger als ein normaler Lehrer. So was würde ich als Mann nicht machen.«“

Für Andreas, Simeon und Tobias hat der Männermangel aber weniger mit dem vergleichsweise geringen Gehalt, sondern mit dem Image des Erziehungsberufs zu tun: „Viele Männer sagen: »Ich kann einfach nicht mit Kindern«“, erzählt Andreas. Oft liegt das daran, dass sie in ihrem Alltag nichts mit Kindern zu tun haben. Bei Simeon, Andreas und Tobias war das nicht der Fall: Tobias engagiert sich seit drei Jahren, Andreas seit fünf Jahren ehrenamtlich bei den Pfadfindern. Auch Simeon arbeitet schon seit acht Jahren mit Jungen und Mädchen im Grundschulalter: „Für mich stand durch meine Arbeit als Gruppenleiter schon relativ früh fest, dass ich mal »was mit Kindern« machen wollte.“

Wie wenig männliche Lehrer es an den Grundschulen gibt, haben die drei in ihrer eigenen Schulzeit festgestellt: „Erst in der weiterführenden Schule stand da vorne ein Mann. Das war dann etwas Besonderes“, erzählt Simeon. Dass Jungen auf einen männlichen Lehrer tatsächlich anders als auf einen reagieren, hat er während seiner Schulpraktika erfahren: „Da war ich der Star an den Schulen. Für die Jungen war es eine völlig neue Erfahrung, dass im Sportunterricht der Lehrer mit Fußball spielt, und - auch wenn das jetzt banal klingt - so wird man schließlich zu einer Bezugsperson, zu der die Kinder Vertrauen aufbauen können.“ Er hat bereits an drei verschiedenen Schulen Praktika gemacht und dabei nur einen einzigen Mann getroffen: „Den Türkischlehrer, der gleichzeitig an drei Schulen unterrichtet.“

Gute Jobchancen

Beruflich sieht es gut für die drei aus - und das wissen sie auch: „Lehrer werden gesucht, speziell Grundschullehrer, und davon noch spezieller Männer: In dem Bereich habe ich nicht wirklich viel Konkurrenz“, sagt Andreas. Simeon sieht das genauso: „Bis jetzt haben mir alle Schulen, bei denen ich ein Praktikum gemacht habe, gesagt, dass ich als Mann sehr gute Chancen habe, eingestellt zu werden. Da hätte ich einen richtigen Geschlechterbonus.“ Sorgen, dass man ihn für seine Berufswahl belächeln könnte, macht er sich nicht: „Vorurteile gibt es nahezu in jedem Beruf, da wird man sich früher oder später mit auseinandersetzen müssen.“ Tobias macht sich da schon mehr Gedanken: „Es wird immer Menschen geben, die Männer in diesem Beruf nicht akzeptieren können.“ Er hat Angst, dass ihn die Kritik von außen sogar derart verunsichert, dass er seine Berufspläne aufgibt: „Die Arbeit mit Kindern macht mir aber sehr viel Spaß, und es ist einfach erfüllend, von einem Kind als Dankeschön ein Lächeln zu bekommen.“