[netZeitung, 24 Apr 2008]
Beim «Girls' Day» sollen Mädchen Berufe kennenlernen, in denen bislang vorwiegend Männer arbeiten. Doch umgekehrt ist ebenfalls Hilfe notwendig, meinen Pädagogen - auch den Jungs fehlen Vorbilder als Altenpfleger oder Grundschullehrer.Jungen fällt es oft noch viel schwerer als Mädchen, sich von traditionellen Geschlechterbildern zu befreien. Entsprechend größer sind die Hürden, bei der Berufswahl Abschied von den typischen Männerjobs zu nehmen. «Jungen sehen dabei nicht, was sie dadurch gewinnen könnten», sagte Uwe Sielert, Pädagoge an der Universität Kiel, der Nachrichtenagentur dpa.
«Mädchen umgekehrt haben die Chance, dadurch eine Aufwertung zu erfahren», fügte der Fachmann hinzu. Häufig gebe es allerdings ein Informationsdefizit: Schon weil Jungen wenig über eher frauentypische Berufe wissen, interessieren sie sich nicht dafür. Insofern sei es durchaus sinnvoll, bei Veranstaltungen wie dem Girls' Day am Donnerstag auch Angebote für Jungen zu machen.
«Mit Informationen allein kann man Einstellungen nicht sofort ändern, aber etwas hilft es schon», sagte Professor Sielert. Effektiver sei es, Jungen in Kontakt mit Männern zu bringen, die selbst in einem nicht männertypischen Beruf arbeiten und damit gute Erfahrungen gemacht haben. Das kann im Rahmen eines «Schnuppertages» passieren, wie er inzwischen im Rahmen des Girls' Day auch für Jungen an vielen Schulen möglich ist.
Dabei sei allerdings wichtig, dass die Jugendlichen nicht nur in einen entsprechenden Betrieb gehen, sondern dort auch tatsächlich männliche Ansprechpartner haben. Sielert glaubt, dass so ein «Schnuppertag» bei den Jungen einen positiven Eindruck hinterlassen kann: «Das kann durchaus bleibend sein und auch die Aufmerksamkeit auf entsprechende Berufe lenken.» Eine andere Gelegenheit für solche Erfahrungen seien Praktika, wie sie in vielen Schulen üblich sind.
Auch die Eltern haben nach Einschätzung des Wissenschaftlers Einflussmöglichkeiten: Sie sollten ihren Sohn motivieren, sich auch Gedanken über andere als die typischen Männerberufe zu machen. Schon dass sie das akzeptieren, kann es für den Jugendlichen leichter machen.
Die Frage der Berufswahl fällt für viele Jugendliche in die Phase der Pubertät. «Das ist für solche Entscheidungen ein ausgesprochen ungünstiger Zeitpunkt», sagte Sielert. Die eigene Geschlechterrolle sei dann noch nicht geklärt. Umso schwerer falle es, sich zu einem männeruntypischen Beruf durchzuringen. «Mancher entscheidet sich dann demonstrativ für den Mechatroniker.» (Gespräch: Andreas Heimann, dpa)