Es fehlen die männlichen Vorbilder


[Alstatte-Nienborg, 13-03-09]

Ahaus-Alstätte - Jungen sollen mutig, stark und durchsetzungsfähig sein, aber gleichzeitig auch einfühlsam, sensibel und rücksichtsvoll. Mit solchen widersprüchlichen Erwartungen konfrontiert und ohne liebevollen elterlichen Halt, komme so mancher Knabe im Laufe seiner Entwicklung zwangsläufig ins Schleudern, machte Diplompädagogin Anne Zorn am Donnerstag deutlich. Sie war auf Einladung des Fördervereins, der Schulpflegschaft und der Schulleitung der Katharinen-Grundschule zu einem Vortrag über Jungenerziehung nach Alstätte gekommen. Einer Schule, an der man sich schon seit längerer Zeit mit spezieller Jungenförderung beschäftige, so die Schulleiterin Beda Lassernig während ihrer Begrüßung in der voll besetzten Schulaula.
 
Anne Zorn, selbst Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, nahm in ihrem sehr ausführlichen Vortrag die Eltern in die Pflicht. Zunächst aber verdeutlichte sie die Situation, in der sich viele Jungen befinden. So haben sie laut Zorn zu wenige männliche Vorbilder in Kindergarten und Grundschule, und zu Hause seien die Väter arbeitsbedingt auch häufig abwesend. Mütter wiederum seien in dem Dilemma, einerseits vor dem Hintergrund der Erfolge der Emanzipation einen hilfsbereiten Frauenversteher , andererseits aber auch kein schwächliches Weichei erziehen zu wollen.

 
Wie ein roter Faden zog sich die Aufforderung an die Eltern durch Anne Zorns Vortrag, mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben und sie zu lenken. Eltern seien in ihrer Rolle sehr gut, wenn sie die Kinder davon überzeugen könnten, das zu wollen, was sie sollen. Vor allem müsste aber den Jungen Struktur gegeben werden. Wären sie erst einmal durch zu viele sie im Grunde überfordernde Freiheiten erziehungsentwöhnt, werde der Umgang mit ihnen immer problematischer. Aufgeregtes Anschreien würdigt nur herab, und sie verschließen sich nur , erklärte sie. Darüber hinaus vertrat Zorn die Ansicht, dass Jungen viel länger als Mädchen bräuchten, bis sie etwa ihr nachmittägliches Lernpensum selbst strukturieren könnten. Bei Schwierigkeiten empfahl sie, die Persönlichkeit des Jungen mit all ihren Ecken und Kanten zu akzeptieren und klar zu ihm zu stehen. Und ihm durchaus auch über das 18. Lebensjahr hinaus in eindeutigen Ich-Botschaften bewusst zu machen, dass beispielsweise eine seiner Handlung als katastrophal empfunden werde, er gleichzeitig als Mensch aber vorbehaltlos respektiert werde.
 
Der sicher viele in Ratlosigkeit versetzende jüngste Amoklauf eines Heranwachsenden wurde nur kurz von Anne Zorn gestreift, die sich im Anschluss an ihren Vortrag den Fragen aus dem Publikum stellte.
 
VON SIGRID WINKLER-BORCK, GRONAU