[Hamburger Morgenpost, Dienstag, 5.05.2009]
SANDRA SCHÄFER
Sitzenbleiber, Störer, Sonderschüler und Schulabbrecher. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie sind in der großen Mehrzahl Jungen. Denn das "starke Geschlecht" schwächelt und gerät vor allem in Schule und Ausbildung zunehmend ins Hintertreffen. Nach 30 Jahren erfolgreicher Mädchenarbeit sind sich Pädagogen einig, dass zu wenig für Jungen getan wurde. Hamburg soll nun einen Jungenbeauftragten bekommen. Zudem ist geplant, mehr Männer für den Beruf des Erziehers und des Lehrers zu gewinnen.
Die Probleme beginnen meist schon in der Grundschule. Jungen können nicht so gut stillsitzen und konzentriert arbeiten. Sie sind schlechter organisiert und machen Unsinn, statt dem Unterricht zu folgen. Tatsächlich wird bei weitaus mehr Jungen als Mädchen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) diagnostiziert. "Wenn du nur zwei solcher Störer in der Klasse hast, die über Tische und Bänke gehen, dann blockieren die den Unterricht", schildert eine Lehrerin aus Bahrenfeld.
Auch Lese- und Rechtschreibschwäche tritt bei Jungen doppelt bis drei Mal so häufig auf. Mädchen sind besser in der Kommunikation, sie verstehen leichter, was der Lehrer meint, und sie sind teamfähiger. Diese Erfahrung hat Frank Beuster, Lehrer und Autor des Buches "Die Jungenkatastrophe" gemacht. Das bedeutet für Jungen: "Sie sehen sich selbst zunehmend als Störer und Verlierer in der Schule." Die Folge sind schon früh Schulfrust und Aggressivität. Was sich nicht selten in Schwänzen oder Prügeleien auf dem Schulhof entlädt. "Oder Jungs machen den Klassenclown", so Publizist Alexander Bentheim ("Was Jungen brauchen"), "ein beliebtes Rollenbild von überforderten Jungen, wenn der Druck zu groß wird."
Und der Leistungsdruck ist oftmals hoch. Denn Eltern von Jungen plagen häufig schon früh Zukunftssorgen. Ohne einen guten Schulabschluss gibt es kaum Hoffnung auf eine Lehrstelle. Und die klassischen Männerberufe sterben aus. So wird Leistungsdruck erzeugt, damit die Noten trotzdem stimmen. Doch Jungen bleiben viel häufiger sitzen als Mädchen, in den Klassen fünf und sechs etwa sind 63 Prozent der Wiederholer Jungen. Sie gehen häufiger auf Haupt- und Sonderschulen, und 59 Prozent der Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, sind Jungen. Bei den Abiturienten hingegen machen sie nur 43 Prozent eines Jahrgangs aus.
"Mädchen haben am Ende der Schulzeit die besseren Zeugnisse und die besseren Bewerbungsmappen", so Frank Beuster. "Wen wundert es, dass sie eher eine Lehrstelle bekommen?" Doch was ist die Ursache des massenhaften Schulscheiterns von Jungen? "Jungen brauchen viel mehr Wildheit, als ihnen von der Gesellschaft zugebilligt wird", sagt Bentheim. "Sie werden in der Schule ständig begrenzt und diszipliniert. Dabei verstehen sie oftmals nicht einmal die Regeln, an die sie sich halten sollen." Gerade typisch "männliche" Angewohnheiten fallen bei größtenteils weiblichen Lehrerkollegien negativer auf. Gleichzeitig fehlen die typischen männlichen Rollenvorbilder.
Lesen Sie morgen: So arbeiten Männer als Pädagogen
Info:
Nur 43 Prozent der Abiturienten sind Jungen
Jungen in Hamburg gehen häufiger auf die Hauptschule als Mädchen, sie bleiben häufiger sitzen, und sie fallen öfter als Problemfälle auf. Die MOPO hat interessante Zahlen zusammengestellt, die belegen, dass in vielen Bereichen die Jungen das Nachsehen haben.
65 Prozent der verspätet eingeschulten/zurückgestellten Kinder sind Jungen - der Rest Mädchen.
59 Prozent der Jugendlichen, die ohne Hauptschulabschluss abgehen, sind Jungen, der Rest Mädchen.
56 Prozent der Hauptschulabschließer sind Jungen.
Nur 43 Prozent der Abiturienten sind Jungen.
63 Prozent der Wiederholer in der 5. und 6. Klasse sind Jungen.
65 Prozent der von der Einschulung Zurückgestellten sind Jungen.
SANDRA SCHÄFER
Sitzenbleiber, Störer, Sonderschüler und Schulabbrecher. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie sind in der großen Mehrzahl Jungen. Denn das "starke Geschlecht" schwächelt und gerät vor allem in Schule und Ausbildung zunehmend ins Hintertreffen. Nach 30 Jahren erfolgreicher Mädchenarbeit sind sich Pädagogen einig, dass zu wenig für Jungen getan wurde. Hamburg soll nun einen Jungenbeauftragten bekommen. Zudem ist geplant, mehr Männer für den Beruf des Erziehers und des Lehrers zu gewinnen.
Die Probleme beginnen meist schon in der Grundschule. Jungen können nicht so gut stillsitzen und konzentriert arbeiten. Sie sind schlechter organisiert und machen Unsinn, statt dem Unterricht zu folgen. Tatsächlich wird bei weitaus mehr Jungen als Mädchen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) diagnostiziert. "Wenn du nur zwei solcher Störer in der Klasse hast, die über Tische und Bänke gehen, dann blockieren die den Unterricht", schildert eine Lehrerin aus Bahrenfeld.
Auch Lese- und Rechtschreibschwäche tritt bei Jungen doppelt bis drei Mal so häufig auf. Mädchen sind besser in der Kommunikation, sie verstehen leichter, was der Lehrer meint, und sie sind teamfähiger. Diese Erfahrung hat Frank Beuster, Lehrer und Autor des Buches "Die Jungenkatastrophe" gemacht. Das bedeutet für Jungen: "Sie sehen sich selbst zunehmend als Störer und Verlierer in der Schule." Die Folge sind schon früh Schulfrust und Aggressivität. Was sich nicht selten in Schwänzen oder Prügeleien auf dem Schulhof entlädt. "Oder Jungs machen den Klassenclown", so Publizist Alexander Bentheim ("Was Jungen brauchen"), "ein beliebtes Rollenbild von überforderten Jungen, wenn der Druck zu groß wird."
Und der Leistungsdruck ist oftmals hoch. Denn Eltern von Jungen plagen häufig schon früh Zukunftssorgen. Ohne einen guten Schulabschluss gibt es kaum Hoffnung auf eine Lehrstelle. Und die klassischen Männerberufe sterben aus. So wird Leistungsdruck erzeugt, damit die Noten trotzdem stimmen. Doch Jungen bleiben viel häufiger sitzen als Mädchen, in den Klassen fünf und sechs etwa sind 63 Prozent der Wiederholer Jungen. Sie gehen häufiger auf Haupt- und Sonderschulen, und 59 Prozent der Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, sind Jungen. Bei den Abiturienten hingegen machen sie nur 43 Prozent eines Jahrgangs aus.
"Mädchen haben am Ende der Schulzeit die besseren Zeugnisse und die besseren Bewerbungsmappen", so Frank Beuster. "Wen wundert es, dass sie eher eine Lehrstelle bekommen?" Doch was ist die Ursache des massenhaften Schulscheiterns von Jungen? "Jungen brauchen viel mehr Wildheit, als ihnen von der Gesellschaft zugebilligt wird", sagt Bentheim. "Sie werden in der Schule ständig begrenzt und diszipliniert. Dabei verstehen sie oftmals nicht einmal die Regeln, an die sie sich halten sollen." Gerade typisch "männliche" Angewohnheiten fallen bei größtenteils weiblichen Lehrerkollegien negativer auf. Gleichzeitig fehlen die typischen männlichen Rollenvorbilder.
Lesen Sie morgen: So arbeiten Männer als Pädagogen
Info:
Nur 43 Prozent der Abiturienten sind Jungen
Jungen in Hamburg gehen häufiger auf die Hauptschule als Mädchen, sie bleiben häufiger sitzen, und sie fallen öfter als Problemfälle auf. Die MOPO hat interessante Zahlen zusammengestellt, die belegen, dass in vielen Bereichen die Jungen das Nachsehen haben.
65 Prozent der verspätet eingeschulten/zurückgestellten Kinder sind Jungen - der Rest Mädchen.
59 Prozent der Jugendlichen, die ohne Hauptschulabschluss abgehen, sind Jungen, der Rest Mädchen.
56 Prozent der Hauptschulabschließer sind Jungen.
Nur 43 Prozent der Abiturienten sind Jungen.
63 Prozent der Wiederholer in der 5. und 6. Klasse sind Jungen.
65 Prozent der von der Einschulung Zurückgestellten sind Jungen.