"Frauen und Männer gleichermaßen geeignet"


[29. April 2009]

Viel zu wenige Männer interessieren sich für den Lehrberuf beklagt Dagmar Hackl, Direktorin der PH Wien, im derStandard.at-Interview

Der männliche Lehrer war in früheren Zeiten fast eine Institution, heute sieht man jedoch vergleichsweise wenige von ihnen in den Klassenzimmern. Besonders der Unterricht an Volksschulen ist mittlerweile von Frauen dominiert. Eine Entwicklung, der man an der Pädagogischen Hochschule Wien gegensteuern will. Deshalb stand auch der diesjährige Informationstag unter dem Motto "Männer in den Lehrberuf". Dagmar Hackl, Direktorin der PH Wien, ist überzeugt: "Frauen und Männer sind für diese Arbeit im gleichen Maße geeinigt". Im Interview mit derStandard.at spricht sie über den mangelnden Status des Berufsbildes, der viele Männer abschreckt.


***

derStandard.at: Warum bemühen Sie sich an der PH Wien konkret Männer anzusprechen?
Hackl: Wir haben viel zu viele weibliche Volksschullehrerin. Das ist ein Problem, da wir in der Gesellschaft auch das gleichberechtigte Bild von Männern und Frauen widerspiegeln wollen. Kinder sollen sich auch schon in der Grundschule mit beiden Geschlechterrollen auseinandersetzen können. Derzeit gibt es viel zu wenig Männer, die Volksschullehrer werden wollen. Bei uns sind es 7 bis 9 Prozent. Im Hauptschulbereich sind es etwas mehr: 15 bis 17 Prozent der Studierenden sind männlich. Nach unsererem Informationstag speziell für Männer haben sich die Anmeldungen für den Hauptschulbereich erhöht. Bei den Anmeldungen für die Grundschule haben wir hingegen nur eine mehr als im vorigen Jahr.

derStandard.at: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum der Lehrberuf für Männer wenig attraktiv zu sein scheint?
Hackl: Es ruft jedes Arbeitsfeld geschlechterspezifische Bilder in der Gesellschaft hervor. In den letzten Jahren hat es eine sehr große Feminisierung vieler Berufsfelder gegeben, wenn man etwa an die Pflegeberufe oder auch an den Beruf der Volksschullehrerin denkt. Da haben sich Stereotype entwickelt, die die Verweiblichung dieses Berufsbildes mit sich gebracht haben. Die Arbeit mit jungen Kindern ist eine, die mehr den Frauen zukäme, wird angenommen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass eine gewisse Statusminderung dieser Berufe bei der männlichen Bevölkerung präsent wird. Sehr stark männlich dominierte Berufe sind traditionell immer mit dem Status der Kraft und Wichtigkeit verbunden. Daher glaube ich, dass die Attraktivität des Lehrberufs sehr unter diesen Gesellschaftsbildern, die entstanden sind, leidet. Gerade die Arbeit mit jüngeren Kindern ist aber einer der wichtigsten Bereiche in unserem Schulsystem, in dem sehr professionell agiert wird. Frauen und Männer sind für diese Arbeit im gleichen Maße geeignet.

derStandard.at: Scheitern männliche Bewerber vielleicht eher an den Aufnahmeverfahren?
Hackl: Es kommt erst gar nicht zu diesem Zugang, denn sie bewerben sich fast gar nicht. Wenn, dann ausschließlich für die Arbeit mit älteren Kindern, also ab 10 oder 14 Jahren. Der Männermangel betrifft vorwiegend die Grundschule. Wir brauchen auch hier Männer, die diesen Beruf anstreben.

derStandard.at: Sind es nur Berührungsängste oder ist die Tatsache, dass so wenige Männer an dem Beruf interessiert sind, vielleicht auch eine Gehaltsfrage?
Hackl: Ich glaube, weil gerade in diesem Bereich Männer und Frauen gleich bezahlt werden, gibt es hier keine geschlechterspezifischen Unterschiede. Es gibt ein Einstiegsgehalt, dass sich junge Akademiker männlichen Geschlechts vielleicht nicht erwarten, wobei natürlich im derzeitigen Dienstrecht und Gehaltsschema die Steigerung schon so ist, dass nach einigen Jahren sicherlich auch eine sehr gute Position erreicht werden kann. Natürlich werden Akademiker, die in der AHS unterrichten, höher bezahlt. Aber der Unterschied ist nicht so eklatant, dass man meinen müsste, dass er stark ins Gewicht fällt.
Ein großes Problem in diesem Bereich ist eher, dass es fast keine Karriereverläufe gibt. Es ist sehr schwierig jungen Männern zu erklären, wie ihre Karriere aussehen kann. Viele möchten oft nicht für immer an der Volksschule bleiben. Sie wollen sich entwickeln und da haben wir in diesem Schulsystem zu wenige Ansatzpunkte.

derStandard.at: Was könnte man außer Bewusstseinsbildung noch tun, um den Lehrberuf für Männer attraktiver zu machen?
Hackl: Ich glaube, dass man darauf hinweisen muss, dass gerade das Berufsfeld der Volksschullehrer und Volksschullehrerinnen das Wesentlichste ist, weil hier alles anfängt. Eine hohe Professionalisierung, das große Know-How, das diese LehrerInnen haben müssen, ist die Grundlage für jede weitere Schullaufbahn. Es muss klargemacht werden, dass der Beruf der Volksschullehrers genaus professionell ist und ebenso gewertet werden muss wie der der LehrerInnen an den AHS. Das ist eine gesellschaftspolitische Entwicklung, die wir vorantreiben müssen. Dann wird sich das Problem des Lehrer-Mangels auch mit der Zeit geben. Österreich liegt bei den Quoten zwar im unteren Drittel, aber der unterdurchschnittliche Männer-Anteil bei den LehrerInnen ist ein weltweites Problem.

derStandard.at: Aus welchen Beweggründen entscheiden sich denn dann doch manche - wenn auch wenige - Männer für die Ausbildung zum Volksschullehrer?
Hackl: Zwei, mit denen ich gesprochen habe, hatten vorher schon mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Sie sind im Laufe ihrer persönlichen Arbeit draufgekommen, dass sie sehr gerne auch schon mit kleineren Kindern arbeiten würden. Vorher haben sie gedacht: "Das ist nichts für Männer" und sind dann im Laufe der Zeit draufgekommen, wie erfüllend die Arbeit mit kleineren Kindern ist. Einige andere, die sich jetzt für die Ausbildung zum Volksschullehrer interessieren, haben hingegen von vornherein gesagt: sie wollen das einfach, weil sie meinen, dass sie dort richtig in ihrer Berufswahl sind.

derStandard.at: Hat der Lehrer-Streit Auswirkungen auf die Bewerber-Zahlen?
Hackl: Wir stellen fest, dass wir mehr Voranmeldungen haben als voriges Jahr. Die, die dieses Studium jetzt beginnen werden in drei, vier Jahren in den Beruf gehen. Dann werden wir einen starken Lehrermangel haben. Deshalb haben sie mit großer Wahrscheinlichkeit gute Jobchancen, die fast schon eine Jobgarantie sind.
(Teresa Eder/derStandard.at, 3.5.2009)