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Männer helfen Jungs, „cool“ zu sein

[Augsburger Allgemeine, 1-10-2010]

Bobingen In dem Projekt „Coole Jungs“ an der Laurentius-Volksschule Bobingen lernen Buben, was es wirklich heißt, „cool“ zu sein: gute Gespräche, fairer Kampf. Dafür gibt es viel Lob von Trainer Mike Wilson und Lehrer Peter Schütt. Das macht selbstbewusst. Und Selbstbewusstsein ist cool. Das Projekt der St. Gregor-Jugendhilfe zur Jungenpädagogik wird fortgesetzt.

Die Überlegung dahinter: Kleine Jungen wollen Aufmerksamkeit, große Jungen wollen cool sein. Beide setzen auf Strategien wie Durchsetzungsvermögen, Leistung und Selbstständigkeit. Das ist „cool“ und bringt Aufmerksamkeit. Wo diese Strategien nicht greifen, bedient sich mancher Junge einer anderen: Probleme machen. Denn Problemverursacher bekommen Aufmerksamkeit - wenn auch negative. Sozialpädagogin Rosemarie Langhammer von der St. Gregor-Jugendhilfe stellt fest: „Jungs fallen durch Störungen, Aggressivität und beharrliches Übertreten von Regeln überdurchschnittlich häufiger auf als Mädchen.“

Als Jugendsozialarbeiterin hat sie das Gewaltpräventions-Projekt „Du und ich“ in der Laurentius-Volksschule in Bobingen eingeführt, bei dem es um Verhaltensregeln und deren Einhaltung im Schulgebäude und während der Pausen ging. Dabei war ein Ergebnis, dass es mit Jungen mehr Schwierigkeiten gibt. „Die sind immer gut drauf, sie sind Clowns oder einfach ,nur cool‘“, so Rosemarie Langhammer. Diese Erkenntnis wurde von der Schulleiterin Waltraud Goers, dem Grundschullehrer Peter Schütt und der Sozialpädagogin Rosemarie Langhammer sehr ernst genommen.

Buben werden meist von Frauen erzogen

Deshalb wurde ein zwölfwöchiges Projekt aus dem Bereich der Jungenpädagogik durchgeführt, zunächst finanziert durch das Amt für Jugend und Familie (Landratsamt). So konnte Peter Schütt erstmals gemeinsam mit dem in Jungenpädagogik besonders erfahrenen Sozialpädagogen Michael „Mike“ Wilson das Projekt „Coole Jungs“ anbieten: Einmal wöchentlich für 90 Minuten konnten zehn Jungen an einer Jungengruppe teilnehmen.

Und weil sie damit so gute Erfahrungen gemacht haben, wird die Laurentius-Schule mit Peter Schütt „Coole Jungs“ ab 8. Oktober in Eigenregie fortsetzen, punktuell unterstützt von Wilson.

„Jungs machen Probleme, weil sie Probleme haben“, sagt Mike Wilson, „vor allem mit ihrem Selbstbild.“ Die Entwicklung von Männlichkeit, also die männliche Rollenaneignung, sei schwierig, weil der kleine Junge fast nur mit Frauen - Mütter, Erzieherinnen, Grundschullehrerinnen - zu tun hat. So erfolge die Rollenaneignung per Negation: „Männlich ist, was nicht weiblich ist“.

In dem Projekt an der Laurentius-Volksschule Bobingen lernen Jungs, was es wirklich heißen soll, „cool“ zu sein. In der Gesprächsrunde dürfen Probleme benannt und Kritik geäußert werden. Dabei muss man höflich und fair bleiben. „Der Angesprochene darf zu Wort kommen und seine Sicht darstellen“, erklärt Peter Schütt.

"Männer als Vorbilder"

[Stuttgarter Zeitung, 27.08.2010 ]

Stuttgart - Mit Jungen wird hilflos umgegangen, sagt die FDP-Politikerin Miriam Gruß. Deshalb zeigen sie oft Schwächen.

Frau Gruß, die Koalition will eine "eigenständige Jungen- und Männerpolitik" entwickeln. Bis jetzt hört man wenig davon.
Jungs sind oft Bildungsverlierer, und das wollen wir ändern. Bildung beginnt im frühen Kindesalter. Deshalb bereiten wir diesen Sommer einen gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen vor, der die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessern soll. Im Herbst wird er vorgelegt.
Die soziale Herkunft stigmatisiert, und Frauen werden im Job schlechter bezahlt und in Führungspositionen selten gesehen. Weshalb muss man die Jungen- und Männerpolitik intensivieren?
Leider ist es so, dass gerade in Deutschland ein Zusammenhang besteht zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Aber wer sagt denn, dass wir uns darum nicht mehr kümmern? Auch das Thema Gleichberechtigung von Frauen soll nicht vernachlässigt werden. Aber die Jungen muss man gleichwohl verstärkt in den Blick nehmen, weil wir feststellen, dass ihre spezifischen Potenziale nicht ausreichend im Bildungssystem gefördert werden. Mädchen lesen sehr viel besser. Mädchen werden in der Regel schneller schulreif. Wir stellen fest, dass Mädchen mit persönlichem Versagen leichter umgehen, Jungen reagieren mit Frust. Der Anteil von Jungen, die eine höhere Schullaufbahn einschlagen, ist geringer. Die Mehrheit der Studierenden ist weiblich. Das kehrt sich erst um, wenn sich für Frauen die Kinderfrage stellt.
Vielleicht werden Jungen gar nicht benachteiligt, vielleicht sind sie, zugespitzt formuliert, nur dümmer und fauler als Mädchen?
Das ist Unsinn. Jungs werden oft nicht entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert. Es ist so, dass Jungen und Mädchen unterschiedliche Herangehensweisen haben. Jungen sind oft rabaukiger, lauter, haben andere Spielformen als Mädchen.
Was brauchen Jungen, um Tritt zu fassen?
Der Bund ist da nicht in erster Linie zuständig. Bildung ist Ländersache, und deshalb brauchen wir eine Zusammenarbeit mit den Länderministerien. Wir müssen geschlechtsspezifische Unterrichtsmethoden entwickeln, die traditionelle Geschlechterrollen und Stereotypen infrage stellen. Wir brauchen Fortbildung für Erzieher und Lehrer, um auf die Bedürfnisse beider Geschlechter einzugehen. Außerdem müssen wir das Lesen der Jungen gezielt fördern. Wir brauchen einen höheren Anteil von Männern in pädagogischen Berufen, die auf ihre Geschlechtsgenossen adäquat eingehen können.
Wie wollen Sie Männer motivieren?
Das Missverhältnis liegt zum Teil an der schlechten Bezahlung. Ich bedaure das, denn die Erzieherinnen und Erzieher gehen täglich mit unseren Kindern, also mit der Zukunft Deutschlands, um. Also müssen wir mit einer besseren Ausbildung und einer adäquaten Bezahlung Anreize setzen. Es muss aber auch der Stigmatisierung, der Ausgrenzung von Männern, die sich solche Berufe aussuchen, entgegengewirkt werden. Das traditionelle Denken verortet einen Mann eben eher in einer Polizeistation als in der Krabbelgruppe. Das muss sich ändern. Wir brauchen Männer in Schulen und Kindergärten.
Es gibt kaum Beweise dafür, dass der Bildungsrückstand von Jungen auf die Vormacht von Frauen in pädagogischen Berufen zurückzuführen ist. Manche sprechen von einem Modethema. Ist es das?
Nein. Es spricht viel dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Bildungsrückstand von Jungs und dem Fehlen von männlichen Vorbildern gibt. Mit verhaltensauffälligeren Jungs wird oftmals hilflos und unbeholfen umgegangen. Es wird viel zu häufig und zu schnell ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, d.Red.) konstatiert. Die Jungs werden dann mit einer Pille ruhiggestellt. Das ist nicht die richtige Antwort auf diese Herausforderung. Das heißt nicht, dass wir die Mädchen nicht fördern müssen, wir müssen den Blickwinkel erweitern.
Unter fehlenden Rollenbildern leiden doch auch Mädchen...
Deshalb spricht viel dafür, Phasen des Unterrichts geschlechtsspezifisch abzuhalten, also Jungs und Mädchen zu trennen.
Wie soll das denn praktisch ablaufen?
Es ist zu überlegen, einzelne Unterrichtsstunden oder Themenzüge rein männlich oder rein weiblich zu unterrichten. Nun bin ich nicht dafür, eine generelle Trennung einzuführen, aber bestimmte Themen eignen sich schon dafür.
Zum Beispiel?
Es kann sinnvoll sein, beim Thema Aufklärung und Sexualität in der Pubertät die Jungs und die Mädchen unter sich zu lassen. Gegen gemeinsamen Matheunterricht spricht im Grundsatz nichts. Aber Mädchen tun sich in Mathe tendenziell schwerer, und vielleicht verstehen sie die Zusammenhänge in einer reinen Mädchengruppe besser. Sie trauen sich dann eher, Fragen zu stellen, weil ihnen das vor den Jungs peinlich wäre. Die Schulen müssen solche Formen ausprobieren können.

East Bay School caters to boys' learning styles

[San Francisco Chronicle, August 16, 2010]

Carolyn Jones, Chronicle Staff Writer

Like most boys, Joe Villeneuve's son, Dylan, is not one for sitting still.

"He's a bouncy, outgoing, happy kid who likes to explore and see how things work," said the Berkeley father. "He's always on the move. He is a boy."

And as every parent and teacher will attest, "always on the move" and a quiet, orderly classroom are not always compatible states.

But Dylan will soon be at a school where "always on the move" is not only prized, it's built into the curriculum. The East Bay School for Boys, opening Aug. 31 in Berkeley, is tailored specifically to boys' energy levels, brain development and love of taking things apart, scattering them across the floor and putting them together again.

The first week of school, for example, the boys will get hammers, power saws and wood, and build their own desks.

"We're going to allow them to make mistakes, experiment, be a little disorganized," said headmaster Jason Baeten. "It's going to be messy, but we think they'll fall in love with school."

Boys need to fall back in love with school, according to several recent studies.

In the past 30 years or so, boys have started trailing girls in reading, writing, grades, test scores and overall motivation, according to a report compiled by educators, sociologists and others who want the president to establish a White House Council on Boys to Men. In 1966, men earned 61 percent of the college diplomas in the United States, but are expected to earn only 39 percent by 2019, their report stated.

Boys are also more likely to be medicated for attention problems and learning disorders, and more likely to be held back or disciplined for behavior problems, studies show.

End to sitting all day

In many cases, boys are performing the same as they always have but girls have surged ahead academically, due in part to a general shift in curriculum favoring girls. It wasn't hard: More than 90 percent of elementary and middle school teachers are women.

Another factor is higher academic expectations placed on younger children due to pressure to raise test scores, teachers said. Kindergarteners are now expected to read, a task that's difficult for some boys because their language skills generally develop later than girls'. The result is that by first grade, many boys are already lagging and their self-confidence starts to drag.

"The structure of a classroom - sitting still in a desk all day - works better for girls than boys," said Marcia Bedford, an East Bay School for Boys board member and assistant head of school at Julia Morgan School for Girls in Oakland. "There's a lot of pressure on boys to hold it together all day and behave, well, like girls."

Boys schools blossom

East Bay School for Boys isn't the only new school to take on boys' education. Public, private and charter schools for boys are blossoming throughout much of the United States, according to the International Boys School Coalition.

"These schools take boys as they are. Instead of punishing boys for their activity, they embrace it and build the curriculum around it," said executive director Brad Adams. "These schools have had great success."

The Pacific Boychoir Academy in Oakland, an all-boys school that opened seven years ago, tailored its curriculum to boys. History classes focus on conflicts and action, teachers might cover four lessons instead of two in a 50-minute period in order to keep students interested, and boys get plenty of opportunities to run around.

Directed energy

"Boys are naturally competitive and we don't want to tamp that down," said school administrator Jim Gaines. "We want to give boys a chance to be extraordinary."

The hope for all these schools is to create a generation of males who are self-confident, capable and compassionate in a world where men's roles are in flux, Baeten and others said.

Joe Villeneuve is just hoping his son's natural enthusiasm isn't squelched by having to sit still at a desk all day.

"What a luxury for a school to say, we're going to use all that energy," he said. "We're not going to thwart it."


E-mail Carolyn Jones at carolynjones@sfchronicle.com

Jungen: Aggressivität nicht grundsätzlich schlecht

[MZ-Web, 02.06.10]
Frankfurt/Main/dpa. Sich aggressiv mit anderen im Spiel auseinanderzusetzen, ist für die Entwicklung von Jungen wichtig. Sie müssen sich mit Gleichaltrigen messen können und brauchen mehr Bewegung als Mädchen.

Dies erklärt Prof. Frank Dammasch, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in Frankfurt. Dies komme im Kindergarten aber häufig zu kurz. Dort und in der Kindererziehung seien Männer zu wenig präsent. Vor 30 Jahren sei das noch anders gewesen: «Der Volksschullehrer diente als männliche Identifikationsfigur, heute ist auch diese Domäne weiblich», sagt Dammasch in einem Interview mit dem Apothekenmagazin «Baby und Familie».

Auch zu Hause habe früher das Bild des starken Vaters vorgeherrscht, während sich heutige Väter unsicher über ihr eigenes Rollenbild sind. Trotz allem, so der Experte, sei es aber auch für Jungen wichtig, dass Eltern viel mit ihnen schmusten.

"Viele Hauptschüler sind krank"

[FR-Online, 01. Juni 2010]

Professor Richter, dass Hauptschülerinnen am unteren Ende der sozialen Skala stehen, überrascht nicht. Aber dass sie auch noch kränker sind als etwa Gymnasiasten, gibt einem zu denken.

Hauptschüler gehören sehr häufig auch zu den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Jetzt zeigt sich, dass sich zu dieser Last noch eine gesundheitliche Benachteiligung gesellt. Es werden weitere folgen. Überraschend ist das nicht. Hauptschülerinnen sterben ja auch vier Jahre früher als Abiturientinnen, wie wir aus einer Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) wissen. Und unsere Ergebnisse zeigen, dass elf- bis 15-jährige Hauptschüler ein etwa doppelt so hohes Risiko haben, gesundheitlich belastet zu sein als Gymnasiasten. Das ist dramatisch.


Sind Ihre Ergebnisse denn belastbar? Schließlich stützen Sie sich lediglich auf die Einschätzung der Schüler selbst.


Natürlich gibt es bei Selbstauskünften immer das Risiko Antworten zu bekommen, die als "sozial erwünscht" eingeschätzt werden. Aber da wir den Jugendlichen Anonymität garantiert haben und weder Eltern noch Lehrer die Fragebögen zu Gesicht bekamen, halte ich den Ehrlichkeitsgehalt für hoch. Sicher geben die Daten ein subjektives Bild, aber an genau diesem Bild waren wir auch interessiert. Statistische Routinedaten hätten uns diese Antworten, die Sichtweise der Heranwachsenden, nicht ermöglicht. Zudem zeigen unsere Ergebnisse einen hohen Deckungsgrad mit Daten von Studien, die neben subjektiven Daten auch "objektivere" Indikatoren verwendeten, etwa die Kiggs-Studie des RKI.


Mehrmals wöchentlich Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Schwindel, Übelkeit - das geben 22,6 Prozent der Jugendlichen an und 36 Prozent der Hauptschülerinnen. Liegt das auch daran, dass Pubertierende nun mal besonders auf ihren Körper fixiert sind?


Die sozialen Unterschiede beeinflussen die Pubertät ja nicht. Aber natürlich spielt sie eine Rolle. Zum Beispiel, wenn sie besonders früh einsetzt, mit zehn oder elf, dann bedeutet das ein höheres Risiko für eine gesundheitliche Belastung. Die Jugendlichen müssen sich früher mit ihrem Körper befassen, interessieren sich für das andere Geschlecht, entdecken ihre Sexualität. Das ist ein Stressfaktor: Sie werden früh aus der Kindheit ins Haifischbecken des Erwachsenenlebens mit all seinen Anforderungen und Belastungen entlassen.


Wie erklären Sie sich, dass sich vor allem Mädchen oft krank oder schlecht fühlen?


Frauen insgesamt reagieren sensibler auf ihren Körper. Das mag mit ein Grund für den Unterschied sein. Aber: Mädchen verarbeiten Stress auch anders als Jungs. Mehr in den Körper rein. Jungs weichen eher aus. Reagieren sich ab, spielen Fußball oder raufen. Aber sie haben auch ein höheres Risiko, sich in Alkohol und Drogen zu flüchten.


Was schlagen Sie vor, um jetzt gegenzusteuern?

Gesundheitspolitisch allein kann man da wenig ausrichten. Den Jugendlichen zu sagen, sie sollen nicht trinken und nicht rauchen, wird kaum etwas nützen. Das Übel muss an der Wurzel gepackt werden. Es geht um eine fairere Verteilung von Macht, Geld und Bildung.

Wie verteilt man Bildung gerechter? In Nordrhein-Westfalen wird ja gerade wieder einmal über ein längeres gemeinsames Lernen gestritten.


Unser unsägliches Schulsystem, das soziale Selektion noch verstärkt, muss endlich erneuert werden. Wie, muss man sehen. Einige Bundesländer haben ja die Hauptschule endlich abgeschafft. So drastische Ergebnisse hätten wir in Ganztagsschulen sicher nicht erhalten.


Kann Bildung soziale Selektion verhindern?

Nein, das wohl nicht, aber sie kann sie mildern. Soziale Verhältnisse sind veränderbar. Schule kann helfen, diesen Prozess zu fördern, schließlich kann sie ihn auch verstärken, wie wir spätestens seit Pisa wissen.


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Matthias Richter ist Professor für Medizinische Soziologie an der Universität Bern und Mitautor der an der Uni Bielefeld entstandenen Studie "Psychosoziale Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen: Die Bedeutung von Alter, Geschlecht und Schultyp". Befragt wurden 4300 Schüler im Alter von elf bis 15 Jahren.

Danach leidet jeder fünfte Heranwachsende an Problemen der psychosozialen Gesundheit.

Am stärksten belastet seien Mädchen und Hauptschüler. So schätzten zwar 85 Prozent aller Teilnehmer ihre Gesundheit als gut oder sogar ausgezeichnet ein. Doch nur zehn Prozent der Gymnasiasten bewerteten ihre Gesundheit eher negativ, aber 21 Prozent der Hauptschüler. Fragten die Forscher nach konkreten Symptomen wie Kopf- oder Rückenschmerzen, Schlafstörungen oder Nervosität, stieg die Zahl der Betroffenen: An mindestens zwei solcher, mehrmals wöchentlich auftretenden Probleme litten fast 27 Prozent der Mädchen, im Vergleich zu rund 18 Prozent der Jungen.

Während nur zwölf Prozent der Gymnasiasten mit ihrem Leben haderten, war Unzufriedenheit unter den Hauptschülern mit 28 Prozent mehr als doppelt so weit verbreitet.

Die "unfaire Verteilung von Bildung, Macht und Geld" hat Richter als Übel erkannt, das an der Wurzel gepackt werden müsse: "Unser unsägliches Schulsystem, das Selektion noch verstärkt, muss endlich erneuert werden." fra

Keine Männer in der Volksschule


[Kleine Zeitung, 05.05.2010]

Nur 8,1 Prozent der Volksschullehrer sind männlich. Diesen Umstand diskutierten am Mittwoch Bildungsexperten im Sacre Coeur in Graz.

GRAZ. "Nur wo der Lehrberuf ein gutes Image hat, ist die Qualität des Bildungssystems hoch", sagte Andreas Salcher in Anlehnung an den Wissenschaftler Howard Gardner. Doch würden oft nicht die Besten zur Lehrerausbildung zugelassen, sondern es regiere Mittelmäßigkeit. Das mache den Beruf für Männer nicht attraktiv.

Landesschulrats-Vizepräsidentin Elisabeth Meixner hat eine Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse: "Der Beruf hat ein verweiblichtes Image, Interessenten fürchten Wartelisten, die Entlohnung ist niedrig."

Evelyn Lindner, Direktorin der VS Graz-Waltendorf, erzählte: "Einer unserer männlichen Lehrer fühlt sich schon einsam im Lehrkörper." Eine "vaterlose Gesellschaft" beklagt Gottfried Hofmann-Wellenhof. Und Psychologe Alois Kogler sagt: "Buben haben eine andere, für Männer verständlichere Kommunikation."

Initiiert wurde die Diskussion von Arne Öhlknecht und Jürgen Pucher vom Verein für Familien- und Gesundheitsmanagement.

Wer hat Schuld an der "Krise der Buben"?


[Science.orf.at, 04.05.2010]

LINK

Ramona Wolf fordert stärkere Förderung von Jungen


[DerWesten, 03.05.2010]


Witten. Fragen Sie Ihren Landtagskandidaten oder die Kandidatin, haben wir Online-Nutzer und Zeitungsleser kürzlich aufgefordert. Die Fragen wurden von der Redaktion gesammelt und weitergeleitet. Heute beantwortet die Fragen der Bürger Ramona Wolf, Die Linke.



Sie werben auf Plakaten mit „Raus aus Afghanistan“. Werden die Bundeswehreinsätze jetzt im NRW-Landtag bestimmt?



Ramona Wolf: Selbstverständlich entscheidet der Bundestag über den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Mit seinen Folgen und Kosten hat der Krieg aber auch Auswirkungen auf die Landespolitik in NRW. Des Weiteren würden wir beim Einzug in den Landtag eine Bundesratsinitiative anstreben.


Wie stellen Sie sich die Politik für Menschen mit Behinderung in NRW vor? Was wollen Sie tun zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte, die über eine hohe Qualifikation verfügen?



Für die Linke ist Behindertenpolitik ein Querschnittsthema, das in alle Politikfelder einfließt. Selbstbestimmung und Selbstvertretung sind die Kernelemente Linker Behindertenpolitik. Die Grundlage dafür ist die UN-Konvention „Für die Rechte behinderter Menschen“, die als Leitlinie für einen behindertenpolitischen Paradigmenwechsel steht. Für alle Behinderten fordert die Linke Fördermaßnahmen zur Eingliederung oder Wiedereingliederung ins Berufsleben, Betreuung und Unterstützung bei der Arbeitssuche.



Welche Wertigkeit messen Sie dem Tierschutz bei? Gibt es konkrete Ziele oder Vorhaben im Bereich Tierschutz, für die Sie sich einsetzen wollen?


Im Rahmen einer sozialen und ökologischen Landwirtschaft lehnt die Linke die Haltung von Hühnern in Legebatterien ab und fordert eine tierschutzgerechte Haltung und mehr Bewegungsfreiheit für alle Nutztiere. Tiertransporte müssen stets artgerecht sein. Die Kontrolldichte bei Tiertransporten ist zu erhöhen.



Was halten Sie davon, nach den Mädchen verstärkt die Jungen zu fördern, weil diese in ihren schulischen Leistungen immer weiter hinter den Mädchen zurückbleiben?



Trotz der weiterhin bestehenden Benachteiligung von Mädchen und Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft ist eine besondere Förderung von Jungen in der Schule sinnvoll. Jungen verlassen in dem auf Auslese und nicht auf Förderung orientierten dreigliedrigen Schulsystem besonders häufig die Schule ohne Abschluss.



Angenommen, die Linke käme in den Landtag und es gäbe eine Mehrheit für rot-rot-grün - wollen Sie mitregieren, lediglich tolerieren oder lieber Politik aus der Opposition heraus machen?



Je größer die Fraktion Die Linke im Landtag ist, desto größer sind die Chancen für einen konsequenten politischen Kurswechsel in NRW. An einer Landesregierung, der die Interessen der Banken und Großkonzerne wichtiger sind als die Interessen der Menschen und Städte, werden wir uns nicht beteiligen.


Baden-Württemberg lehnt Männer-Quote für Erzieher ab


[Open-Report, 02.05.2010] Nach Ansicht Schicks können junge Männer nur mit attraktiven Studiengängen begeistert werden

München (ddp). Baden-Württembergs Kultusministerin Marion Schick (CDU) lehnt Überlegungen ab, den Anteil der Erzieher oder der männlichen Lehrkräfte für die Jüngsten verbindlich festzulegen. «Mehr männliche Lehrkräfte in den Grundschulen zu haben, ist sinnvoll und wünschenswert. Aber dies mit Quoten erzwingen zu wollen, ist nicht der richtige Weg», sagte Schick dem Nachrichtenmagazin «Focus» laut Vorabbericht. Es sei nicht erwiesen, «dass Jungs sich in der Grundschule wohler fühlen, wenn mehr Männer unterrichten würden». Nach Ansicht Schicks können junge Männer nur mit attraktiven Studiengängen für den Lehrerberuf begeistert werden.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), die auch für Kindertagesstätten zuständig ist, will nach Presseberichten den Anteil der männlichen Erzieher in Deutschland erhöhen. Die derzeitige Quote liegt laut «Focus» bei drei Prozent.

Sauver les garçons


[EstRepublicain, 20/04/2010]

Les garçons rencontrent davantage de difficultés scolaires que les filles. Un spécialiste jette un pavé dans la mare.

La croyance populaire n'est parfois pas loin de la vérité : les filles, dit-on, sont plus sérieuses, plus travailleuses, que les garçons. C'est vrai. « Moins précoces et moins diplômés, les garçons sont devenus en quelques décennies le sexe faible de l'école », écrit dans un livre-choc Jean-Louis Auduc. C'est un expert du monde scolaire. Agrégé d'histoire, directeur adjoint de l'IUFM de Créteil, il poursuit des recherches sur l'enseignement aux publics difficiles, les relations parents-enseignants et les évolutions du système éducatif. Il a été longtemps l'un des cadres du SNES.

Son livre, intitulé « Sauvons les garçons ! » ne fait qu'une centaine de pages. Mais elles sont denses et ravageuses. Elles font mouche, à tel point que Jean-Louis Auduc passe maintenant sa vie dans les trains pour se déplacer d'une ville à l'autre, sollicité par des associations de parents, des mouvements pédagogiques, des enseignants pour expliquer comment il est parvenu à faire éclater ce qui était un véritable tabou dans l'Éducation nationale.

Statistiques sexuées

« Je travaille sur l'échec scolaire. Mon premier souci est de donner une identité à l'élève en difficulté de lecture. Sur les 15 % en très grande difficulté, on trouve un garçon sur cinq, mais seulement une fille sur vingt-cinq », relève Jean-Louis Auduc. « Et parmi les bons lecteurs, 71 % sont des filles, 59 % des garçons », ajoute-t-il.

« Sur 150.000 jeunes qui sortent sans diplôme du système éducatif, 120.000 sont des garçons. L'échec scolaire masculin est massif », insiste Jean-Louis Auduc. « D'où la nécessité de statistiques sexuées. On est resté trop souvent à l'Éducation nationale au niveau des anges. Ces données sexuées sont à conjuguer avec celles portant sur l'origine sociale. Les garçons de milieu populaire sont davantage pénalisés que les autres. »
Comment expliquer le décalage des performances entre les filles et les garçons ? « C'est le problème de l'entrée dans les études », répond Jean-Louis Auduc. « Les filles y entrent plus vite. Elles sont plus habituées que les garçons à la notion de travail. À la maison, la mère va s'occuper de la fille, la fille va accomplir des tâches ménagères. Le retard des garçons est très net en cours préparatoire, classe fondamentale pour la lecture. 20 % des garçons y rencontrent d'énormes difficultés, mais seulement à peine 4 % des filles. »

La non-mixité constituerait-elle alors une des pistes pour remédier au handicap des garçons ? « Il ne faut pas renoncer à la mixité, c'est une bonne chose, mais peut-être faut-il imaginer des moments différenciés dans la scolarité, en sport, dans certains enseignements, pourquoi pas en lecture », avance Jean-Louis Auduc. Le débat sur « la Journée de la Jupe » est relancé.

A framework for ‘best practice’ in boys’ education: key requisite knowledges and Productive Pedagogies

Amanda Keddie
Faculty of Education
University of Southern Queensland

Abstract

In enhancing the social and academic outcomes of boys, positive teacher-student relationships and quality pedagogy that is informed by key research-based understandings and knowledges about gender are positioned as central. The managerial rather than pedagogical focus currently characterizing Queensland (Australia) schools, where the acquisition of basic skills are seen as more important than students‟ intellectual engagement, can be seen as constraining boys‟ academic and social development. In examining what might constitute „best practice‟ in boys‟ education, this paper draws on significant socio-cultural research in the area of gender, masculinity and schooling to define the key understandings and knowledges seen as necessary for teachers to effectively construct and apply contextually driven pedagogic strategies to improve educational and social outcomes. The Productive Pedagogies framework of quality
teaching and learning (The State of Queensland, 2001) is presented as potentially generative in this regard. This framework is presented here as a way forward for teachers in moving beyond the „common sense‟ and prescriptive approaches that continue to drive much of the curriculum and pedagogy in our schools and more specifically many of the programs designed to address the educational needs of boys. In drawing on understandings of gender inequities as a product of social practice, the paper illuminates how teachers can adopt the Productive Pedagogies framework in connecting with boys in intellectually engaging ways to explore their understandings of gender and masculinity and broaden their appreciation of difference and diversity.

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Mädchen beim Abi vorn


[FR-online, 07. Februar 2010]

Wiesbaden. In Hessen machen deutlich mehr Mädchen Abitur als Jungen - bei den Hauptschulabschlüssen ist es umgekehrt. Das ergibt sich aus Daten des Kultusministeriums zu den Schulabgängern vom Sommer 2009. Die allgemeine Hochschulreife erreichten danach 11 680 Mädchen und 9532 Jungen, ein Verhältnis von 44,5 zu 55,5 Prozent.

Hessen weise damit noch "einen vergleichsweise hohen Anteil männlicher Absolventen" im Vergleich zu anderen Bundesländern auf, antwortete Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) auf eine Anfrage der CDU-Fraktion. Die Parlamentarier suchten nach einer Erklärung, warum "in Hessen männliche Schüler nur unterproportional die Hochschulreife erlangen".

Bei den 29.552 Realschulabgängern war das Verhältnis mit 49,4 Prozent Jungen und 50,6 Prozent Mädchen nahezu ausgeglichen. Den Hauptschulabschluss erreichten 8740 Jungen und 6513 Mädchen, ein Verhältnis von 57,3 Prozent und 42,7 Prozent.

Henzler sah keine rein hessischen Gründe für diese Unterschiede im Schulerfolg. In anderen Bundesländern sei das Bild ähnlich. Es wechselten etwa gleich viel Jungen wie Mädchen auf das Gymnasium, die Schere gehe später auseinander.

Studien zufolge liegt ein Grund in der höheren Lesefertigkeit der Mädchen. Deshalb habe Hessen die Leseförderung in den Grundschul- und Mittelstufenjahren verstärkt mit dem besonderen Ziel, den Jungen zu helfen. Zudem bemühe sich Hessen, Männer als Lehrer für Grundschule und Mittelstufe zu gewinnen, um den Jungen Vorbilder zu geben. (dpa)

Vielen Frauen ist der Chefsessel nicht wichtig

[Faz.net, 12. Januar 2010]

Frauen arbeiten lieber mit Menschen als mit Maschinen oder Zahlen, sagt die Psychologin Susan Pinker. Nur die wenigsten hätten Ambitionen auf den Chefsessel - weil ihnen Familie und Freizeit genauso wichtig seien, wie die Karriere. Die Schuld schiebt sie auf die Hormone. Ein Interview.

Frau Pinker, Sie behaupten, das 21. Jahrhundert gehöre den Frauen. Wie kommen Sie auf die Idee?

Sie müssen sich nur umschauen: Die Mädchen hängen die Jungs ab, an der Schule genau wie an der Universität. Zurück bleibt eine beunruhigende Zahl junger Männer, die Probleme bekommen.

Sie machen sich Sorgen um die Männer von morgen?

Absolut. Unter ihnen finden sich viele Verlierer. Schon jetzt gibt es deutlich mehr auffällige Jungen als Mädchen; Jungen leiden häufiger unter Konzentrations- und Lernschwächen sowie sozialer Inkompetenz. Gehen Sie einmal zum Kinderpsychologen, zum Sozialarbeiter, in den Jugendstrafvollzug: Dort werden Sie kaum Mädchen finden.

Sie haben als Kinderpsychologin gearbeitet. Verallgemeinern Sie in Ihrem Bestseller „Begabte Mädchen, schwierige Jungs“ nicht einfach Ihre Erfahrungen?

Nein, alle Studien bestätigen: Wir müssen uns um den männlichen Nachwuchs kümmern. Wenn die Gender-Forschung nur ein Zehntel des Geldes, das sie bislang in die Förderung von Frauen investiert, den Jungen zugutekommen ließe, wäre viel erreicht.

Sie meinen, Frauenförderung gehört abgeschafft?

Ich meine, dass Frauen in der westlichen Welt ihre Berufe heute frei wählen können - und das auch tun. Sie können noch so viele „girls days“ an technischen Hochschulen veranstalten: Mehr Ingenieurinnen locken Sie damit nicht an.

Frauen studieren lieber Literatur als Physik?

So ist es. Männer und Frauen haben unterschiedliche Präferenzen. Frauen interessieren sich häufiger für Shakespeare als für Nanoteilchen, sie arbeiten lieber mit Menschen als mit Maschinen oder Zahlen, werden lieber Lehrerin oder Ärztin als Computer-Fachfrau.

Weil sie das eingetrichtert bekommen!

Es gibt genetische Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die können Sie nicht leugnen.

Achtung, hier begeben Sie sich auf gefährliches Terrain.

Ich weiß, der Stoff ist politisch explosiv. Aber schauen Sie: Ich hatte einmal einen Jungen mit Asperger-Syndrom in Behandlung, einer Form des Autismus. Bob war ein Ass in Mathe, begabt im Umgang mit Computern, aber ein Außenseiter mit sozialen Defiziten. Er studiert mittlerweile, will später Computerspiele entwickeln. In der Branche sind Typen wie er glücklich. Die meisten Mädchen dagegen würden verzweifeln.

Mit dem Asperger-Syndrom greifen Sie einen Extremfall heraus.

Es ist nur ein Beispiel. Aber Fakt ist: Unter Männern tritt diese genetische Störung zehnmal so häufig auf wie unter Frauen. Wenn Sie nun per Quote vorgäben, die Hälfte der Computerspiele müssten von Frauen entwickelt werden, würden Sie wenige Frauen finden, die dazu bereit wären. Und Sie würden Jungs um eine Arbeit bringen, die ihnen Spaß macht.

Die Feministin Simone de Beauvoir hat gesagt: „Man wird nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht.“ Hat sie sich geirrt?

Neue Studien der Neurowissenschaften zeigen deutlich: Die Frau ist nicht das Abziehbild des Mannes, es gibt angeborene Unterschiede, auch wenn die Vorstellung abschreckt, weil sie lange als Vorwand für die Unterdrückung der Frau missbraucht wurde.

Sie leugnen 40 Jahre Feminismus.

Ich selbst war Teil der frühen Frauenbewegung und dachte: Wenn wir alle gesellschaftlichen Barrieren einreißen, sind Männer und Frauen gleich. Aber ich musste lernen, dass das falsch ist. Das hat mich anfangs verwirrt. Irgendwann ist daraus die Idee zu meinem Buch entstanden.

Also gut: Warum spielen Jungs mit Autos, Mädchen mit Puppen?

Weil sie unterschiedliche genetische Voraussetzungen haben. Es gibt auch Mädchen, die gerne mit Autos spielen. Aber die Mehrheit greift zur Puppe.

Woher kommt das?

Dahinter stecken die Hormone. Bei Männern spielt das Testosteron eine große Rolle, es macht sie abenteuerlustig, kampfbereit, aggressiv. Frauen hingegen können sich gut einfühlen in andere, haben Mitgefühl. Auch das geht auf ein Hormon, Oxytozin, zurück. Schon im Säuglingsalter reagieren Mädchen auf Gesichter, Jungen auf mechanische Pendel.

Hormone entscheiden über unsere Karriere?

Ich habe eine Frau kennengelernt, die war Professorin in Stanford, hatte also alles erreicht, wovon Wissenschaftler träumen. Und eines Tages entschließt sie sich, zu kündigen, und wird Lehrerin. Sie erhält deutlich weniger Geld, genießt weniger Ansehen, dafür hat sie weniger Stress. Es gibt viele solcher Lebensläufe bei Frauen. Die steigen Stufe um Stufe in ihrem Beruf auf - und plötzlich machen sie etwas ganz anderes. Die Petroingenieurin wird Fitnesstrainierin, die Uniprofessorin wechselt in die Grundschule. Und wissen Sie was? Sie sind meist zufriedener als zuvor. Endlich haben sie Zeit für Familie, Hobbys, Freunde.

Frauen verzichten auf Karriere, um mit dem Dackel spazieren zu gehen?

Um Sachen zu tun, die ihnen wichtig sind. Nur zehn, fünfzehn Prozent der Frauen wollen sich bis an die Spitze durchbeißen - und sind bereit, dafür so viel zu opfern, wie Männer das tun. Den meisten Frauen ist der Chefsessel nicht wichtig. Eine erfolgreiche Frau sattelt gerne um, einen Mann spornt der Erfolg zu noch mehr Ehrgeiz an.

Es gibt also gar keine Seilschaften zwischen Männern, die den Aufstieg der Frauen behindern?

Doch. Aber das Phänomen wird überbewertet. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt, und die Frauen, die zu mir in die Praxis kommen, klagen auch nicht darüber. Die haben andere Probleme.

Welche?

Sie schämen sich dafür, auszuscheren aus dem männlichen Verhaltensmuster, wenn sie eine Beförderung ablehnen. Sie sind verzweifelt, weil sie einen aus Karrieresicht tollen Job haben, sich darin aber unwohl fühlen.

Also liegt es in unseren Genen: Frauen gehören an den Herd?

Jetzt missverstehen Sie mich absichtlich! Ihr Deutschen seid da unglaublich verbohrt. Natürlich sollen Frauen Karriere machen, wenn sie Lust dazu haben. Aber wir müssen aufhören, den Mann als Standard zu sehen. Männer setzen alles auf eine Karte, auf der steht: Karriere, Geld, Macht. Bei Frauen steht daneben noch einiges, was ihnen ähnlich wichtig ist.

Die Familie natürlich! Meinen Sie wirklich, Frauen erfüllt es, ihre Sprösslinge zum Klavierunterricht zu kutschieren?

Ich kenne Frauen, die Teilzeit arbeiten, um freitags selbst Klavier zu spielen, in Museen zu gehen, zu lesen. Die haben gar keine Kinder. Trotzdem wollen sie nicht 40 Stunden im Büro verbringen.

Widerlegen Sie selbst nicht Ihre Thesen? Sie machen Karriere als Bestseller-Autorin, arbeiten wie besessen, sind ständig unterwegs . . .

Nein, ich passe sogar gut zu meiner These. Ich war eine ehrgeizige Psychologie-Studentin, habe ein paar Jahre in einer Praxis gearbeitet, dann habe ich drei Kinder bekommen und die Arbeit stark reduziert, da die Kinder mich in Beschlag genommen haben. Jetzt, da sie groß sind, steige ich wieder ein.

Gender-Forscher argumentieren, mit passenden Rahmenbedingungen würden viele Frauen sich das mit dem Chefsessel überlegen.

Das stimmt. Mit Flexibilität und Arbeitszeitmodellen können Sie mehr Frauen für Führungsaufgaben begeistern. Aber Sie werden nie auf 50 Prozent kommen. Und die Frauen werden eher in kommunikativen Branchen aufsteigen als in der Metallindustrie.

Woher nehmen Sie das Wissen?

Studien haben gezeigt: Je fortgeschrittener die Emanzipation in einem Land ist, desto häufiger wählen Mädchen die klassischen Frauen-Fächer. Der Anteil weiblicher Physik-Studenten liegt in arabischen Staaten deutlich höher als in Westeuropa. Auch in Asien beweisen Frauen sich in Männer-Domänen. Bei uns dagegen machen sie, wozu sie Lust haben. Das ist eine Folge der Emanzipation, die so niemand erwartet hat!

Wenn die Chefetage weiterhin in Männerhand bleibt, warum sorgen Sie sich dann um die Jungen?

Wagemut und Kampfgeist verhelfen Männern zu spektakulären Erfolgen, aber auch zu Rekordzahlen bei Unfällen und Selbstmorden, bei Schulabbrechern und Arbeitslosen. Männer sind ganz oben und ganz unten, Frauen bewegen sich vorwiegend im Mittelfeld. Um die Ausreißer nach unten aber kümmert sich niemand. Für die interessiert sich niemand: Sie auch nicht, Sie fragen nur nach den Frauen.

Heute muss also den Jungen geholfen werden?

Ja, da muss etwas geschehen. Denn immer mehr einfache Jobs in der Industrie, die diese Männer erledigen, verschwinden. Das sind die Arbeitslosen von morgen, die Gewalttäter und Selbstmörder.

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Die Frauenversteherin LINK

Die Kanadieren Susan Pinker, 52, ist Entwicklungspsychologin, Zeitungskolumnistin und Buchautorin. 25 Jahre lang hat sie verhaltensauffällige Kinder behandelt. Eine Zeitlang hat sie zudem als Dozentin an der McGill-Universität in Montreal gelehrt. International bekannt wurde sie mit ihrem Bestseller „The sexual paradox“ („Begabte Mädchen, schwierige Jungs - der wahre Unterschied zwischen Männern und Frauen“), der an den Grundfesten der Frauenbewegung rüttelt. Denn Pinker ist überzeugt davon: Es gibt eine „weibliche Natur“ - und die ist verantwortlich dafür, dass weniger Frauen Karriere machen als Männer. Pinker lebt mit ihrem Mann und drei fast erwachsenen Kindern in Montreal.

Kein Gefühl mehr für sich selbst

[Rundschau-online, 05.01.10]

Von Michael Lenzen


Im Rahmen unserer Serie über Gewaltprävention stellen wir heute die Arbeit der psychologischen Beratungsstelle „Herbstmühle“ vor. Dort stehen besonders die Jungen im Blickpunkt.


Wipperfürth - Sie bietet Sprechstunden in den Schulen und ist oft Anlaufstelle für die Pädagogen, wenn es Schwierigkeiten mit Schülern gibt: die Psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, kurz „Herbstmühle“ genannt. Getragen wird sie vom Verband der Katholischen Kirchengemeinden im Oberbergischen.

Zuständig ist die Einrichtung für Wipperfürth, Lindlar, Hückeswagen, Radevormwald, Marienheide und Engelskirchen mit rund 100 000 Einwohnern. 1200 Familien betreut die „Herbstmühle“ mit ihren acht Mitarbeitern pro Jahr. Dazu bietet sie Sprechstunden in neun Familienzentren und in Schulen an. „Allein können die Schulen nicht alles leisten“, sagt Leiter Ansgar Nowak. Seit zwölf Jahren arbeitet die Einrichtung mit den Schulen in Wipperfürth zusammen. An den beiden Gymnasien und an der Realschule gibt es eine wöchentliche Sprechstunde. „Mit der Hauptschule und der Förderschule haben wir eine gute Zusammenarbeit“, sagt der Diplom-Psychologe.

„Ich glaube nicht, dass es mehr Gewalt gibt als vor zehn oder 20 Jahren“, so Nowak. Sie werde aber deutlich wahrnehmbarer und sie fange auch deutlich früher an. Das Thema sei auch mehr in der Öffentlichkeit. Zudem würden sich immer mehr Betroffene offenbaren. „Gewalt ist in vielen Familien noch üblich, und das ist erschreckend.“ Meistens seien Jungen und junge Männer gewalttätig, Mädchen deutlich seltener.

Seit einigen Jahren registrieren die Fachleute um Ansgar Nowak eine neue Qualität der Gewalt. Bedingt durch Internetseiten wie etwa Schüler-VZ und Handy-Kameras. „Auf das Poster einer Playmate wurde etwa der Kopf einer Klassenkameradin montiert“, berichtet Sozialpädagoge Norbert Dörper. Oder es würden Fotos unter der Toilettentür hindurch gemacht. Die Bilder würden ins Internet gestellt, dazu kämen Rufschädigung oder Beleidigungen, auch per SMS. „Es gibt keinen allgemeinen Schlüssel wo Gewalt anfängt. Für manche Schüler kann schon das Bloßstellen ein traumatisierendes Erlebnis sein“, sagt Nowak.

Täglich werde in der Schule die Rangordnung, der Stellenwert in der Klasse und im sozialen Umfeld überprüft. Oft durch kleine Reibereien, wie Ärgern oder Schubsen, manchmal auch durch Schlägereien. Und die Experten beobachten noch eine andere Entwicklung: Den durch Eltern hervorgerufenen Leistungsdruck schon in der Grundschule. „Schließlich soll das Kind ja aufs Gymnasium“, so Dörper.

Doch Leistungsdruck sei keine Erklärung für die zunehmende Brutalität und die veränderte Qualität bei der Gewalt. „Es gibt bei einigen Jungen deutlich mehr Kälte, kein Gefühl für sich selbst, und daher auch kein Gefühl für das Gegenüber“, schildert er. Die liebevolle Hinwendung, der Respekt, die Bindung und die Vorbilder fehlten. Dabei sei gerade der persönliche Bezug entscheidend. Deswegen setze die Herbstmühle bei ihrer Jungenarbeit auf Akzeptanz, persönliche Wertschätzung und Verständnis für ihre männliche Persönlichkeit. Wobei die Frage „wann ist Mann ein Mann“ ein gesellschaftliches Problem sein. Es gebe viele Klischees von Siegern und Stärke. Die Anforderungen an Männer seien hoch. Männer strampelten sich ab und verwendeten einen großen Teil ihrer Energie für die Arbeit. Aber das werde kaum gewürdigt. Es fehle die gesellschaftliche Diskussion über die Rolle des Mannes.

Die „Herbstmühle“ will den auffälligen Jungen vermitteln: „Du darfst so sein wie Du bist“. Sie sollen sich mit ihren Stärken und Schwächen kennenlernen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen, für Gewalt sensibilisiert werden. „Es ist wichtig, dass sie lernen, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Nowak. In die Arbeit müssten auch die männlichen Bezugspersonen eingebunden werden. „Die Jungen brauchen mehr Männer, die sich in der Erziehung engagieren und sich Zeit nehmen. Jungen benötigen nicht nur Kampf, Druck und Konkurrenz, sondern auch Spaß und Begeisterung mit viel körperlicher Bewegung und sozialem Miteinander.“

In den letzten Jahren habe es viel Aktionen zu Mädchenförderung und Themen wie Sucht und Mobbing gegeben. Für spezielle Jungenarbeit fehlten oft noch konkrete Ansätze und engagierte Männer. „Es ist dringend nötig, dass Jungenarbeit ein wichtiges Thema in jeder Jugendeinrichtung oder Schule wird.“

Les garçons, sexe faible à l'école


[Le Monde, 11.11.2009]

LE MONDE DE L'EDUCATION

Sauvons les garçons !, de Jean-Louis Auduc, s'inscrit non pas contre mais dans le droit-fil d'Allez les filles ! (Seuil, 1992) et de Quoi de neuf chez les filles ? (Nathan, 2007), des sociologues Christian Baudelot et Roger Establet. Après s'être penché sur les problèmes des filles, il était juste et urgent de s'intéresser à ceux, plus lourds, des garçons. Sur 150 000 jeunes qui sortent chaque année sans qualification du système éducatif, 100 000 sont des garçons. Un mauvais score qui perdure du primaire au supérieur, puisque sept femmes sur dix ont un bac ou un diplôme postbac, contre six hommes sur dix. Selon des chiffres 2008-2009 du ministère de l'éducation, les filles - prétendument peu scientifiques - sont 31 % à décrocher une mention bien ou très bien au bac S, contre 24 % de garçons.

Pourquoi un tel écart et un tel échec ? "Les filles, peu ou mal reconnues dans la maison, ont surinvesti dans l'école et elles y sont reconnues, explique l'auteur, directeur adjoint de l'IUFM de Paris-XII-Val-de-Marne à Créteil. A l'inverse, les garçons sont souvent reconnus dans leur famille, mais ils vivent une crise identitaire à l'école. (...) La conviction de leur supériorité confronte les garçons à des contradictions insolubles en ne se traduisant pas par une supériorité intellectuelle sur les filles de leur classe."

Résultat : les garçons sont amenés à dévaluer les savoirs scolaires et à se rebeller contre l'école. La spirale de l'échec est amorcée. Elle se vérifie jusque dans l'orientation, où les filles sont sous-représentées dans les filières dites courtes (CAP, BEP, bac STI, bac pro, etc.). En revanche, elles sont surreprésentées dans le supérieur, à l'exception des filières d'excellence, où les garçons repassent devant elles.

En effet, en dépit de parcours scolaires plus brillants, les filles choisissent moins fréquemment qu'eux les filières de l'élite. Une situation liée à un atavisme culturel qui empêche de "bousculer les frontières du masculin et du féminin à l'intérieur de la famille". Selon une étude (de mars 2009) de la Caisse nationale d'allocations familiales, les deux tiers du travail parental et ménager reposent sur les femmes.

La famille - celle qui élève et celle qu'on reproduit -, la voilà, la grande fautive... "Les discriminations professionnelles ne trouvent plus leurs racines dans les inégalités institutionnelles, que ce soit à l'école ou dans les lois, mais dans l'intimité des foyers et des consciences", écrit l'auteur. Des discriminations qui reposent sur des images stéréotypées des deux sexes et qui ont de fortes répercussions sur la scolarité des uns et des autres. Le fait de moins stimuler oralement que physiquement les garçons (qu'on souhaite plus forts) a une influence directe sur une acquisition du langage plus lente chez les enfants de sexe masculin. Et donc sur leur scolarité.

Beaucoup de garçons "ne se relèvent jamais du stéréotype que concrétise souvent l'éducation parentale selon lequel la communication verbale est une compétence essentiellement féminine", remarque Jean-Louis Auduc. A l'opposé, l'image de la femme, véhiculée dans certains milieux, "contribue à développer chez les filles des capacités d'écoute et d'ordre qui seront des atouts à l'école". Un constat d'autant plus vrai à mesure que l'on descend dans l'échelle sociale, et finalement plus préjudiciable aux garçons des milieux défavorisés. Rois chez eux, ils sont désavoués à l'école, où la mentalité machiste les place en position de rebelles, donc de refus et d'échec.

Comment sortir de cette situation ? En luttant contre les stéréotypes machistes et en limitant la mixité, propose l'auteur, qui ne milite pas pour autant en faveur du retour des classes unisexes, mais s'interroge "sur la pertinence de quelques activités où, pour mieux gérer la totalité de la classe, garçons et filles seraient séparés".

Hypothèse pessimiste mais pas irréaliste : on peut aussi imaginer que l'écart entre les genres diminuera avec la poursuite de la montée en puissance des filles. A force de se rapprocher des positions sociales des garçons, elles en adopteront aussi les codes et développeront à leur tour les aspects pervers encore propres aux stéréotypes du sexe "fort". Mais s'agirait-il d'une victoire pour elles ?

Jungs werden in der Schule immer schlechter

[Weissenburger Tagblatt, 1-10-2009]

WEISSENBURG (mau) – Die schulischen Leistungen von Jungen sacken in Deutschland immer mehr ab. Professor Christian Pfeiffer, der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, sieht die Ursache hierfür vor allem beim übermäßigen Computerspielen, aber auch im Fernsehkonsum der Jungs. Und der Kriminologe kann das anhand umfangreicher Studien sogar beweisen.

Seine Erkenntnisse in Sachen Mediennnutzung und deren Auswirkung auf die Schulleistung von Jugendlichen stellte Pfeiffer nun beim Jubiläum des Arbeitskreises (AK) Schule-Wirtschaft im Weißenburger Wildbadsaal vor (siehe Bericht unten). Pfeiffer untermauerte seine Erkenntnisse mit vielen Zahlen, dennoch wurde der Vortrag keineswegs dröge. Vielmehr verstand es der SPD-Politiker, der von 2000 bis 2003 Justizminister in Niedersachsen war, mitzureißen, Betroffenheit zu erzeugen und Sehnsüchte zu wecken, wie AK-Vorsitzender Frank Sarres im Nachgang zu Recht lobte. Basis für Pfeiffers Vortrag ist eine empirische Studie mit dem Titel «Die PISA-Verlierer – Opfer ihres Medienkonsums».


Die Untersuchungen haben deutlich gezeigt, dass das Bildungsniveau der Jungen in Deutschland im Vergleich zu jenem der Mädchen immer weiter absinkt. Es gibt mehr und mehr männliche Schüler, die sitzen bleiben, immer mehr männliche Schulabbrecher und immer weniger männliche Abiturienten. «In einem Land wie Deutschland kann man sich das nicht leisten», ärgerte sich Pfeiffer. «Die Wirtschaft darf sich das nicht länger bieten lassen», rief er den Unternehmern im Saal entgegen. Ein Beispiel für die Folgen dieser Entwicklung: Die Medizin wird in Zukunft eine reine Frauendomäne in Deutschland, weil die jungen Männer von ihren Leistungen her erst gar nichts für das Studium zugelassen werden.

Die kürzlich von der Politik verbreitete These, die Jungs seien deshalb schlechter in der Schule, weil es nicht genug männliche Grundschullehrer gebe und ihnen deshalb eine männliche Bezugsperson fehle, sind «kompletter Unsinn», stellte Pfeiffer fest. Seine Studien belegen, dass die Leistungen der Buben auf völlig identischem Niveau sind, egal ob sie von einem Lehrer oder von einer Lehrerin unterrichtet werden.


Der Professor hat aber eine ganz andere Ursache ausgemacht: Jeder vierte sechsjährige Junge in Deutschland hat bereits einen eigenen Fernseher in seinem Zimmer stehen! 40 Prozent der Zehnjährigen haben eine eigene Computerspielkonsole. Bei den Mädchen sind es nur 15 Prozent – und die spielen durch die Bank harmlose und keine actionlastigen Brutalo-Spiele. Außerdem verbringen die Mädchen deutlich weniger Zeit vor den Geräten.


Auch das bessere Abschneiden der süddeutschen Bundesländer bei den PISA-Studien im Vergleich zu den norddeutschen kann Pfeiffer anhand seiner Zahlen erklären. In Bayern und Baden-Württemberg ist der Anteil der Fernseher und Konsolen in den Kinderzimmern deutlich niedriger. Dagegen ist der Anteil der Kinder, die eine Musikschule besuchen, in beiden Bundesländern besonders hoch. Pfeiffer: «Diese Intelligenzförderung ist eine der Kraftquellen des Südens.»


Auffällig auch: Je höher das Bildungsniveau der Eltern, desto geringer der Anteil an TV und Computer
im Kinderzimmer. Und: Haben beide Eltern Abitur, liegt der durchschnittliche Medienkonsum der Kinder bei einer Stunde am Tag, haben die Eltern beide Hauptschulabschluss, ist es mehr als dreimal so viel.

Kurz ging Pfeiffer auch auf die Gefahr der Abhängigkeit von Computerspielen ein und verteufelte hier besonders das Spiel «World of Warcraft», das weltweit eine riesige Fangemeinde hat. Der durchschnittliche Spieler verbringt täglich vier Stunden in der virtuellen Welt, in der er online mit den Zockern rund um den Globus verbunden ist. Es gibt allen Ernstes Diskussionsforen, in denen sich die WoW-Spieler über Windelsorten austauschen – sie wollen während des Spiels nicht einmal mehr auf die Toilette. «World of Warcraft ist das schlimmste Spiel auf dem Markt», sagte Pfeiffer und kritisierte die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, die das Spiel für frei ab zwölf Jahren in Deutschland erklärt hat.


Schwer beeindruckt zeigte sich das Auditorium auch von einigen Szenen aus einem Spiel, in dem man sich als brutaler Auftragskiller durchschlagen muss. Dieses Game ist zwar nicht für Jugendliche freigegeben, doch ist das bei den Jugendlichen eher ein Anreiz. Die Hälfte der zehnjährigen Jungs, die über eigene Geräte in ihrem Zimmer verfügen, zocken solche Spiele gelegentlich, weiß Pfeiffer. Bei den 14-Jährigen sind es schon über 80 Prozent.


Bei aller Brutalität dieser Szenen, konnte der Kriminologe doch in einem Punkt Entwarnung geben: «Man wird kein Amokläufer, weil man so ein Spiel gespielt hat. Der Hass auf die anderen Menschen entsteht im realen Leben.» Doch das Mitgefühl für die anderen Menschen sinkt durch solche Programme.


Natürlich hätten die Eltern auch früher ihren Kindern zum Teil höchst brutale Märchen vorgelesen, doch es gibt einen ganz entscheidenden Unterschied: Die Bilder, die sich die Kinder dazu selbst im Kopf gebastelt haben, waren nie so brutal wie die Darstellung in einem Film oder einem Spiel. Deshalb brachten die reinen Wörter das Gehirn nicht so durcheinander.


Pfeiffer berichtete von einem Experiment, in dem zwei Gruppen ins Kino geschickt wurden. Die eine, die sich einen Liebesfilm ansah, wusste hinterher noch genau, welche Werbung vor dem Film gezeigt wurde.


Die Gruppe, die einen brutalen Streifen vorgeführt bekam, war hingegen blank. Die Wucht der Bilder hatte die Erinnerung im Kurzzeitgedächtnis ausgelöscht. Kein Wunder also, dass auch Gelerntes im Gedächtnis nicht haften bleibt, wenn man sich hinterher heftige Bilder gibt – wobei der Effekt bei Computerspielen eben noch krasser ist als bei Filmen.


Somit gibt es aus der Sicht des Professors eine ganz klare und eindeutige Forderung, die dringend umgesetzt werden muss: «Keine Bildschirmgeräte in den Kinderzimmern. Retten wir die Nachmittage der Jungen.» Sport und Bewegung helfen zudem Wunder. Dafür gebe es eindrucksvolle Beweise von speziell ausgerichteten Schulen. Beispielhaft berichtete der Referent von einem Projekt aus den USA und aus Neuseeland.


Und auch in Bayern gibt es Hoffnung. Kürzlich durfte Pfeiffer seine Thesen dem Kabinett von Horst Seehofer vorstellen. Ergebnis: Ein Modellversuch soll eingerichtet werden. Der Professor steht hierzu bereits
im engen Kontakt mit Kultusminister Ludwig Spaenle.

Die Ergebnisse der Studie «Die PISA-Verlierer – Opfer ihres Medienkonsums» sind auf der Internetseite des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (www.kfn.de) abrufbar (unter Mitarbeiter den Direktor anwählen und dort bei den Schwerpunktthemen).

Neuer Abschluss macht Lehrerberuf attraktiver

[Die Presse, 06.08.2009]

ERICH WITZMANN

Die Rektorinnen der Pädagogischen Hochschulen sehen die Aufnahmekapazitäten für die Pflichtschullehrer-Ausbildung als erschöpft an. "Die Bachelor-Regelung greift jetzt", sagt Rektorin Ulrike Greiner.

WIEN. „Wir sind alle überrascht worden.“ Dagmar Hackl, Rektorin der Pädagogischen Hochschule (PH) Wien, war auf den Ansturm zu den Lehrerhochschulen nicht vorbereitet. Etwa 800 Anmeldungen liegen vor, 400 bis 450 Studienanfänger kann sie nehmen. Für mehr reicht die Kapazität nicht.

An der Kirchlichen PH Wien/ Krems (KPH) wird die Zahl der Studienanfänger gleich um 50 Prozent steigen (im Vergleich zum Studienjahr 2007/08). „Der Bachelor greift jetzt“, sagt Rektorin Ulrike Greiner. Im Oktober beginnt das dritte Jahr der auf Bachelor-Niveau angehobenen Ausbildung. Es gibt einen akademischen Abschluss und die Möglichkeit, an der Universität ein Masterstudium anzuschließen. Nach einem Kooperationsvertrag der KPH mit der Uni Wien müssen Absolventen ein einsemestriges Übergangsmodul nachholen, dann liegt die Berechtigung zum Masterstudium Bildungswissenschaft vor.

Rektorin Greiner weist aber auch auf den prognostizierten Lehrerbedarf in drei bis fünf Jahren hin. „Es ist kein Beamtenjob mehr, es ist aber ein relativ sicherer Job.“ Schließlich registriert Greiner auch eine höhere Anzahl an Studieneinsteigern, die schon im einem Job tätig waren oder die von der Uni an die PH wechseln.

Chancen in der Hauptschule

Der größere Ansturm betrifft das Volksschullehramt. Deswegen werden Interessenten auf die neuen Chancen in der Hauptschule aufmerksam gemacht, auf ein Upgrading im Rahmen des Schulversuchs Neue Mittelschule und auf das künftige neue Dienstrecht. Einen Studienplatz werden übrigens alle erhalten, die jetzt die Aufnahmetests schaffen.

Auch Dagmar Hackl sieht die Jobgarantie und die Akademisierung der Pflichtschullehrerausbildung als die Hauptargumente für den unerwarteten Andrang. Und auch die aufgehobenen Studiengebühren seien da zu nennen. An ihrer PH müssen alle Interessenten je einen Tag in einer Volksschule, Hauptschule, Sonderschule und AHS verbringen. „Darauf entschieden sich im Vorjahr rund 20 Prozent für einen anderen Beruf.“ Da es nach Ende der Aufnahmetests im September voraussichtlich noch immer zu viele Bewerber sein werden, wird sich die endgültige Zulassung nach den Ergebnissen dieser Tests richten müssen.

Die Wiener Probleme gibt es an der FH Tirol nicht. „Bei uns kommen diese Trends mit einem Jahr Verzögerung“, sagt Vizerektor Georg R. Thaler. Man rechnet nach den Anmeldungen mit einer Steigerung um zehn Prozent. „Die PH platzt aus allen Nähten, für mehr Studierende würden wir mehr Ressourcen brauchen“, sagt Thaler.

Die Werbekampagne, die Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) jetzt starten will, wird in Innsbruck begrüßt. In manchen Tiroler Bezirken treten in den nächsten vier Jahren 50 Prozent der Lehrer in den Ruhestand. In Wien hofft man, dass die Kampagne zur Qualitätssteigerung verhilft. „Sie soll die Besten für uns interessieren“, sagt Ulrike Greiner, „sie soll vor allem auch Männer ansprechen und Leute mit einer anderen beruflichen Praxis“. Derzeit sind zwei Drittel der Lehrer weiblich, an den Volksschulen sogar 89 Prozent. Bei den Direktorenposten sind hingegen 50 Prozent von Männern besetzt.

Greiner glaubt, dass der Lehrerberuf nun auch für männliche Interessenten attraktiver wird. War früher die „Liebe zum Kind“ das ausschlaggebende Motiv für den Beruf, so werden jetzt auch das sachliche Interesse und die Möglichkeit zum Umstieg auf die Uni ins Treffen geführt. Nach ihrer Schätzung wechseln derzeit nur etwa 70 Prozent der Absolventen in den Schuldienst, 30 Prozent überlegen ein weiteres Studium oder einen Job in der Wirtschaft. Meinung S. 27

Kleine Racker brauchen starken Mann


[Schweriner Volkszeitung, 03. Juni 2009]

Es gibt Berufe, die als klassische Frauendomänen gelten. Doch immer häufiger erobern sich Männer Krankenhäuser, Kitas oder die Fleischtheke im Supermarkt. So wie Nico Hirsch. Der 37-Jährige hatte gestern seinen ersten Arbeitstag als Erzieher.

KUHSTORF - "Ich finde es gut, wenn sich die Trennung zwischen Frauen- und Männerberufen immer mehr auflöst. Warum soll ein Mann nicht mit Kindern umgehen können, genauso wie eine Frau ja auch ein großes Flugzeug steuern kann. Also, so tolerant sollte man in der heutigen Zeit schon sein. Und außerdem sollte jeder in seinem Beruf glücklich sein und sich wohlfühlen", sagt Petra Linow. Die 50-Jährige leitet seit fast 20 Jahren die Kindereinrichtung im Dorf und hat in dieser Zeit schon viel erlebt. Doch der gestrige Tag war auch für die gebürtige Hagenowerin eine Premiere. Denn ein Mann begann seine Anstellung als Kindergärtner.

"Ich diene mich hier in den nächsten Wochen hoch", schmunzelt Nico Hirsch und meint damit die Tatsache, dass er die Abläufe im "Regenbogenland" detailiert kennenlernen muss. Deshalb beginnt der 37-Jährige auch mit der kleinsten Gruppe und wird perspektivisch gesehen, später für die Vorschulkinder verantwortlich sein. Als ehemaliger Zeitsoldat und Fahrlehrer bringe er die nötige Ruhe und ein gestähltes Nervenkostüm mit, gesteht der gebürtige Kuhstorfer, der von 1975 bis 1978 selbst diese kindliche Stätte besuchte. "Meine Frau ist ebenfalls schon in diesem Kindergarten betreut worden", erinnert sich Hirsch, als starker Mann für die kleinen Racker.

Statistischen Angaben zufolge sind in Kindergärten und Kindertagesstätten nur drei Prozent der Fachkräfte männlich, in der Grundschule nur rund 13 Prozent. "Jungs haben daher außerhalb der Familie kaum männliche Identifikationsfiguren", erklärt der Kuhstorfer seine berufliche Entscheidung. Dafür hat er auch eine dreijährige Fachausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher in Hamburg in Kauf genommen. Dafür spricht die Begeisterung, mit der sich Jungen und Mädchen auf jeden Mann stürzen, der in eine Kindertagesstätte kommt - und sei es der unbeholfenste Praktikant oder der unfreundlichste Handwerker. Oder denken Sie, liebe Leser, einmal an die Kinder alleinerziehender Mütter, in deren Leben es in der Regel überhaupt keine Männer gibt. Für eine Beschäftigung von Männern in Kindertagesstätten gibt es also eine ganze Reihe guter Gründe. Männer bringen frischen Wind ins Team und haben Interessen und Sichtweisen, die in Kitas oft zu wenig berücksichtigt werden. Manche jungen- und männertypische Interessen und Bedürfnisse kommen im normalen Kita-Alltag zu kurz, weil viele Frauen nur wenig darauf eingehen. Raufen und Toben, sich für Handwerkliches und Technik begeistern, Klettern und körperliche Grenzen austesten: Das alles können Frauen zwar prinzipiell auch, aber oft haben sie dazu einfach keine Lust oder Zeit.

Manche schwierigen Verhaltensweisen von Jungen hängen damit zusammen, dass sie beweisen wollen, wie "männlich" sie sind - wobei sie viel zu wenig darüber wissen, wie Männer wirklich sind, nämlich durchaus nicht immer stark, überlegen, erfolgreich und ohne Angst. Um das herauszufinden, bräuchten sie mehr Männer in ihrem Alltag, mit denen sie die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle und Verhaltensweisen erleben könnten. Kinder orientieren sich allerdings nicht nur an Vorbildern des eigenen Geschlechts.

Jungen grenzen sich zwar auf ihrer Suche nach Männlichkeit manchmal sehr von Frauen und allem "Weiblichen" ab, aber sie übernehmen auch Sichtweisen ihrer Mütter und anderer Frauen und möchten von ihnen geliebt und bewundert werden Umgekehrt brauchen auch Mädchen Männer. Sie werden selbstbewusster, wenn sie von ihren Vätern und anderen Männern ernstgenommen und unterstützt werden. Schließlich: einen partnerschaftlicher Umgang, in dem Frauen und Männer einander mit Wertschätzung und Respekt begegnen, können Jungen und Mädchen nur dann erleben, wenn es in ihrem Alltag auch Männer und Frauen gibt.

"Es ist zwar noch total komisch für uns, dass jetzt ein Mann bei uns mit am Tisch sitzt, aber wir sind völlig vorurteilsfrei", betont Petra Linow, die insgesamt sechs Erzieher und eine technische Kraft in der 1956 erbauten Einrichtung anleitet.

Thema des Monats: Jungs - benachteiligt?


[Family Fair, Montag, 1. Juni 200]

LINK

Experten sehen Jungen massiv benachteiligt

Nach dem Amoklauf von Winnenden kritisieren Experten den Umgang mit Jungen in deutschen Schulen. Es sei nicht verwunderlich, dass die meisten Amokläufer Jungen seien, sagt Dieter Lenzen, Präsident der FU Berlin. Bei der Vernachlässigung der männlichen Schüler sieht er große Unterschiede zwischen den Bundesländern.

Der Präsident der Freien Universität Berlin, Dieter Lenzen, hat eine massive Benachteiligung von Jungen im deutschen Bildungssystem als eine der möglichen Ursachen des Amoklaufs von Winnenden bezeichnet.

„An den Auswüchsen sieht man, was an Problemen im System entstehen können“, sagte der Vorsitzende des Aktionsrats Bildung in München.

Jungen seien die Verlierer im deutschen Bildungssystem. Es sei bemerkenswert, dass die meisten Opfer von Tim K. Mädchen und Lehrerinnen seien und dass die meisten Amokläufer Jungen seien.

„Das Bildungssystem schafft es nicht, Jungen in den Zustand psychischer Ausgeglichenheit zu versetzen, der solche Taten ausschließt“, kritisierte der Professor bei der Vorstellung einer Studie „Geschlechterdifferenz im Bildungssystem“. Vom Kindergarten bis zur Hochschule verstärke das deutsche Bildungssystem die Geschlechterunterschiede.

„Beim Übergang auf das Gymnasium müssen Jungen eine deutlich höhere Leistung erbringen. Der Weg in die Berufsausbildung ist für Jungen erschwert“, kritisierte Lenzen.

„Von allen Schulabgängern ohne Abschluss sind 62 Prozent Jungen.“ Auch bei den Abiturienten seien die Mädchen klar in der Mehrheit.

Hier können Sie den vollständigen Artikel lesen (12. März 2009):

http://www.welt.de/politik/article3363431/Experten-sehen-Jungen-massiv-benachteiligt.html

"Frauen und Männer gleichermaßen geeignet"


[29. April 2009]

Viel zu wenige Männer interessieren sich für den Lehrberuf beklagt Dagmar Hackl, Direktorin der PH Wien, im derStandard.at-Interview

Der männliche Lehrer war in früheren Zeiten fast eine Institution, heute sieht man jedoch vergleichsweise wenige von ihnen in den Klassenzimmern. Besonders der Unterricht an Volksschulen ist mittlerweile von Frauen dominiert. Eine Entwicklung, der man an der Pädagogischen Hochschule Wien gegensteuern will. Deshalb stand auch der diesjährige Informationstag unter dem Motto "Männer in den Lehrberuf". Dagmar Hackl, Direktorin der PH Wien, ist überzeugt: "Frauen und Männer sind für diese Arbeit im gleichen Maße geeinigt". Im Interview mit derStandard.at spricht sie über den mangelnden Status des Berufsbildes, der viele Männer abschreckt.


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derStandard.at: Warum bemühen Sie sich an der PH Wien konkret Männer anzusprechen?
Hackl: Wir haben viel zu viele weibliche Volksschullehrerin. Das ist ein Problem, da wir in der Gesellschaft auch das gleichberechtigte Bild von Männern und Frauen widerspiegeln wollen. Kinder sollen sich auch schon in der Grundschule mit beiden Geschlechterrollen auseinandersetzen können. Derzeit gibt es viel zu wenig Männer, die Volksschullehrer werden wollen. Bei uns sind es 7 bis 9 Prozent. Im Hauptschulbereich sind es etwas mehr: 15 bis 17 Prozent der Studierenden sind männlich. Nach unsererem Informationstag speziell für Männer haben sich die Anmeldungen für den Hauptschulbereich erhöht. Bei den Anmeldungen für die Grundschule haben wir hingegen nur eine mehr als im vorigen Jahr.

derStandard.at: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum der Lehrberuf für Männer wenig attraktiv zu sein scheint?
Hackl: Es ruft jedes Arbeitsfeld geschlechterspezifische Bilder in der Gesellschaft hervor. In den letzten Jahren hat es eine sehr große Feminisierung vieler Berufsfelder gegeben, wenn man etwa an die Pflegeberufe oder auch an den Beruf der Volksschullehrerin denkt. Da haben sich Stereotype entwickelt, die die Verweiblichung dieses Berufsbildes mit sich gebracht haben. Die Arbeit mit jungen Kindern ist eine, die mehr den Frauen zukäme, wird angenommen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass eine gewisse Statusminderung dieser Berufe bei der männlichen Bevölkerung präsent wird. Sehr stark männlich dominierte Berufe sind traditionell immer mit dem Status der Kraft und Wichtigkeit verbunden. Daher glaube ich, dass die Attraktivität des Lehrberufs sehr unter diesen Gesellschaftsbildern, die entstanden sind, leidet. Gerade die Arbeit mit jüngeren Kindern ist aber einer der wichtigsten Bereiche in unserem Schulsystem, in dem sehr professionell agiert wird. Frauen und Männer sind für diese Arbeit im gleichen Maße geeignet.

derStandard.at: Scheitern männliche Bewerber vielleicht eher an den Aufnahmeverfahren?
Hackl: Es kommt erst gar nicht zu diesem Zugang, denn sie bewerben sich fast gar nicht. Wenn, dann ausschließlich für die Arbeit mit älteren Kindern, also ab 10 oder 14 Jahren. Der Männermangel betrifft vorwiegend die Grundschule. Wir brauchen auch hier Männer, die diesen Beruf anstreben.

derStandard.at: Sind es nur Berührungsängste oder ist die Tatsache, dass so wenige Männer an dem Beruf interessiert sind, vielleicht auch eine Gehaltsfrage?
Hackl: Ich glaube, weil gerade in diesem Bereich Männer und Frauen gleich bezahlt werden, gibt es hier keine geschlechterspezifischen Unterschiede. Es gibt ein Einstiegsgehalt, dass sich junge Akademiker männlichen Geschlechts vielleicht nicht erwarten, wobei natürlich im derzeitigen Dienstrecht und Gehaltsschema die Steigerung schon so ist, dass nach einigen Jahren sicherlich auch eine sehr gute Position erreicht werden kann. Natürlich werden Akademiker, die in der AHS unterrichten, höher bezahlt. Aber der Unterschied ist nicht so eklatant, dass man meinen müsste, dass er stark ins Gewicht fällt.
Ein großes Problem in diesem Bereich ist eher, dass es fast keine Karriereverläufe gibt. Es ist sehr schwierig jungen Männern zu erklären, wie ihre Karriere aussehen kann. Viele möchten oft nicht für immer an der Volksschule bleiben. Sie wollen sich entwickeln und da haben wir in diesem Schulsystem zu wenige Ansatzpunkte.

derStandard.at: Was könnte man außer Bewusstseinsbildung noch tun, um den Lehrberuf für Männer attraktiver zu machen?
Hackl: Ich glaube, dass man darauf hinweisen muss, dass gerade das Berufsfeld der Volksschullehrer und Volksschullehrerinnen das Wesentlichste ist, weil hier alles anfängt. Eine hohe Professionalisierung, das große Know-How, das diese LehrerInnen haben müssen, ist die Grundlage für jede weitere Schullaufbahn. Es muss klargemacht werden, dass der Beruf der Volksschullehrers genaus professionell ist und ebenso gewertet werden muss wie der der LehrerInnen an den AHS. Das ist eine gesellschaftspolitische Entwicklung, die wir vorantreiben müssen. Dann wird sich das Problem des Lehrer-Mangels auch mit der Zeit geben. Österreich liegt bei den Quoten zwar im unteren Drittel, aber der unterdurchschnittliche Männer-Anteil bei den LehrerInnen ist ein weltweites Problem.

derStandard.at: Aus welchen Beweggründen entscheiden sich denn dann doch manche - wenn auch wenige - Männer für die Ausbildung zum Volksschullehrer?
Hackl: Zwei, mit denen ich gesprochen habe, hatten vorher schon mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Sie sind im Laufe ihrer persönlichen Arbeit draufgekommen, dass sie sehr gerne auch schon mit kleineren Kindern arbeiten würden. Vorher haben sie gedacht: "Das ist nichts für Männer" und sind dann im Laufe der Zeit draufgekommen, wie erfüllend die Arbeit mit kleineren Kindern ist. Einige andere, die sich jetzt für die Ausbildung zum Volksschullehrer interessieren, haben hingegen von vornherein gesagt: sie wollen das einfach, weil sie meinen, dass sie dort richtig in ihrer Berufswahl sind.

derStandard.at: Hat der Lehrer-Streit Auswirkungen auf die Bewerber-Zahlen?
Hackl: Wir stellen fest, dass wir mehr Voranmeldungen haben als voriges Jahr. Die, die dieses Studium jetzt beginnen werden in drei, vier Jahren in den Beruf gehen. Dann werden wir einen starken Lehrermangel haben. Deshalb haben sie mit großer Wahrscheinlichkeit gute Jobchancen, die fast schon eine Jobgarantie sind.
(Teresa Eder/derStandard.at, 3.5.2009)