Männliche Zuwanderer sind Verlierer in der Schule

Bildungsbericht offenbart geballte Probleme

[NN online, 21.1.2010]

MÜNCHEN - Männliche Jugendliche aus Einwandererfamilien haben die größten Probleme an Bayerns Schulen.

Diese Gruppe stellt die meisten Schulabbrecher und erzielt die niedrigsten Schulabschlüsse, so berichtete Kultusminister Ludwig Spaenle im Bildungsausschuss des Landtags. Der CSU-Politiker nannte es eine «unschöne Zahl», dass ein Fünftel dieser Jugendlichen den Einstieg in die Berufsausbildung nicht schafft. Auch die Zahl der Abiturienten ist hier viel niedriger als bei deutschen Jugendlichen. «Um die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund müssen wir uns besonders kümmern».

Die Hälfte hat nur Hauptschulabschluss

Die Diskrepanz zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen ist nach dem Bildungsbericht 2009 groß: 22,6 Prozent der deutschen Schüler haben am Ende ihrer Schullaufbahn die allgemeine Hochschulreife in der Tasche, aber nur 7,8 Prozent der Ausländer. Fast die Hälfte der ausländischen Jugendlichen beendet die Schule mit dem Hauptschulabschluss. Dagegen schaffen knapp zwei Drittel der deutschen Jugendlichen Abitur oder Realschulabschluss. Spaenle will das ändern. «Wir müssen die Unterschiede abbauen».

Große Unterschiede gibt es aber auch innerhalb der deutschen Schülerschaft, vor allem zwischen Stadt und Land. In den Städten wechseln mehr als vierzig Prozent, teils sogar 50 Prozent der Kinder nach der Grundschule auf ein Gymnasium, in Teilen Ostbayerns nur 26 oder 28 Prozent. «Der ländliche Raum ist klar im Hintertreffen», kritisierte Martin Güll (SPD).

Die Freien Wähler finden diese Diskrepanzen nicht so tragisch: «Es wird unterschwellig immer so dargestellt, als ob wir hier Begabungen verschleudern», sagte die FW-Abgeordnete Eva Gottstein, selbst lange Zeit Realschulrektorin in Eichstätt. Es handle sich oft um bewusste Entscheidungen von Eltern und Kindern gegen das Gymnasium.

dpa

Lehrerinnen übertragen Angst vorm Rechnen auf Mädchen

[Spiegel online, 25.01.2010]

Jungs rechnen von Natur aus nicht besser als Mädchen. Doch weil sich viele Lehrerinnen für Mathe-Nieten halten, beeinflussen sie ihre Schülerinnen negativ, belegt eine aktuelle Studie. Die Mädchen übernehmen das Klischee der Lehrkraft - und rechnen fortan schlechter als männliche Mitschüler.

Grundschullehrerinnen, die selbst schwach in Mathematik sind, impfen ihren Schülerinnen die Angst vor dem Fach ein. An Jungen geben sie ihre Schwäche dagegen nicht weiter. Das haben Wissenschaftler der Universität von Chicago in einer Studie nachgewiesen, die in "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlicht wurde.

Die Psychologen der Universität Chicago untersuchten 17 Lehrerinnen sowie rund 120 ihrer Schüler aus der ersten und zweiten Klasse. Zunächst prüften sie die Einstellung der Lehrkräfte zu Mathematik. Je unsicherer die Lehrerinnen in dem Fach waren, desto eher glaubten die Schülerinnen nach dem Schuljahr, Mädchen könnten besser lesen und Jungs besser rechnen. Und jene Schülerinnen, die an dieses Vorurteil glaubten, schnitten in Mathematik tendenziell schlechter ab. Jungen blieben von dem stereotypen Denken dagegen unbeeinflusst.

Um zu testen, inwieweit sich die Ängste einer Lehrerin auf ihre Schülerinnen übertragen könnten, prüften die Forscher die Einstellung und Rechenkünste am Anfang und am Ende des Schuljahres. Dabei kam heraus, dass Mädchen, die sich dem Vorurteil angeschlossen hatten, in Mathe auf einer Bewertungsskala sechs Punkte hinter ihren unbeeinflussten Klassenkameraden und -kameradinnen zurückblieben: 102 zu 108 Punkten.

90 Prozent der Grundschullehrer sind weiblich

Da die Forscher den Zusammenhang zwischen der Einstellung der Lehrer zu Mathe und den Leistungen der Schülerinnen auch auf die allgemein höhere soziale Sensibilität der Mädchen zurückführten, schlossen sie nicht aus, dass Schülerinnen sich bei männlichen Lehrern ähnlich verhalten könnten: Sollten Lehrer ein Rollenverständnis vermitteln, nach dem Mädchen von Natur aus schlechter in Mathe sind, könnten Schülerinnen dieses Denken übernehmen und entsprechend schlechter rechnen.

Männliche Lehrer müssten die Forscher an den Grundschulen jedoch erst suchen: Amerikanische Grundschullehrer sind etwa zu 90 Prozent weiblich - in Deutschland ist das Missverhältnis ähnlich. In ihrer Ausbildung werden Lehrer nur minimal auf Mathematik vorbereitet, erläutert das Forscherteam von Sian Beilock. Aus anderen Studien ist bekannt, dass angehende Grundschullehrerinnen mehr Angst vor Mathe haben als Studenten aller anderen Fachrichtungen. Dass das stereotype Denken nicht auf Jungen abfärbte, erklären die Psychologen damit, dass Kinder in diesem Alter vor allem auf Rollenmodelle gleichen Geschlechts fixiert sind.

Mädchen sind Mathenieten von Geburt an? Weit gefehlt!

Dass Mädchen keinesfalls von Natur aus im Rechnen benachteiligt sind, zeigte eine Analyse von zwei breit angelegten Studien Anfang des Jahres: Schülerinnen lösen Mathe-Aufgaben ähnlich gut wie Schüler - wenn sie nur an sich glauben und niemand ihnen eine Rechenschwäche einredet. Bei der Analyse wurden die Daten von fast 500.000 Schülern aus 69 Ländern untersucht.

Das Ergebnis deckt sich mit dem Resultat einer US-Studie, die das Magazin "Science" 2008 veröffentlichte. Darin hatten Forscher Mathematik-Prüfungen von über sieben Millionen US-Schülern der Klassenstufen zwei bis elf unter die Lupe genommen - und keine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen gefunden.

Dass im jungen Alter Mädchen und Jungs gleich gut rechnen, zeigte auch eine Sonderauswertung der Pisa-Studie im vergangenen Jahr. Pisa ergab, dass Mädchen im Alter von 15 Jahren im Durchschnitt schlechter rechnen, als Jungs. Das ist allerdings nicht von Beginn an so: Während der Schulzeit wächst die Leistungslücke zwischen den Geschlechtern in fast allen Industriestaaten.

OECD: Wenn Mädchen nicht an sich glauben, rechnen sie schlecht

Bei den 2006 durchgeführten Pisa-Tests hatte der Unterschied in Deutschland in der Mathematik 20 Punkte betragen, zugunsten der Jungen. Dafür waren die Mädchen beim Lesen deutlich überlegen - der Abstand betrug 42 Punkte. In beiden Disziplinen waren die Differenzen zwischen Schülern und Schülerinnen größer als im Durchschnitt der Teilnehmerländer. Ebenfalls interessant: Beim Lesen sind Mädchen schon in der Grundschule besser, wie die Iglu-Studien zeigen. Der Abstand zu den Jungen beträgt allerdings nur wenige Punkte und wächst im Laufe der Schulzeit dann deutlich an.

Der Grund für verschiedene Rechenleistungen zwischen den Geschlechtern liege nicht in unterschiedlichen Begabungen, so die Autoren der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Vielmehr sei die Schuld bei gängigen Mann-Frau-Klischees und Vorurteilen zu suchen. Anders formuliert: Allein weil Mädchen glauben, sie rechneten schlecht, schwächeln sie dann tatsächlich in Mathe.

xvp/dpa/apn

Private and single sex schools still top A level and GCSE league tables


[Times Online, January 13, 2010]

Private and single sex schools continue to dominate league tables published today for last summer’s A level and GCSE results.

Of the top 50 schools with the highest scores at A level, all but three were in the independent sector.

St Paul’s Girl’s School in London heads the table with an average of 267.4 points per A-level student, followed by Westminster School, Perse School for Girls in Cambridge and Guildford High School.

The three state schools to make the top 50 for A-level results were Latymer School in Enfield, Kendrick school in Reading and Henrietta Barnett School in North London. All are grammar schools.

Among the top 50, 27 are girls schools, 14 are boys schools and 9 are mixed.

At GCSE level in 118 schools every student entered achieved at least five good passes, at grades A*-C, including maths and English.

Of these, 58 were independent schools and 60 state schools: 28 were foundation schools (largely fomer grant maintained schools), 21 were voluntary aided and church schools, 2 were volutary controlled faith schools and 9 were community schools.

Of the 118 whose students scored a 100 per cent success rate in achieving five good GCSEs, 56 were girls schools, 37 were mixed and 25 were boys schools.

Thomas Telford School, in the West Midlands, was the top comprehensive for a second year running with 99 per cent of its students achieveing give GCSEs at A*-C or above.

The Priory Academy in Lincolnshire achieved 98 per cent of pupils gaining five A* to C at GCSE including English and maths, putting it in second place among the comprehensives.

Among the most improved schools was Bishop Justus Church of England comprehensive, a mixed school in Bromley. It went from 35 per cent achieving the Government’s floor target of 5 good GCSEs including English and maths in 2008 to 63 per cent hitting the requirement last summer, an increase of 28 per centage points.

The results nationally showed that over 50 per cent of pupils are still leaving school without five good GCSEs including English and maths. There are 247 schools where fewer than 30 per cent of children achieve the Government's target, they are in Ed Balls the Schools Secretary's National Challenge, a programme threatening schools which fail to improve with closure or a change of management.

Vernon Coaker, Schools Minister, said: “We’ve set out clear measures to further improve quality of the teaching, and challenge and support to schools with the widest gaps – continuing to expand the academy and trust school programmes; continued support for low-performing schools through National Challenge; and legislating to give every pupil and parent clear guarantees of their rights, including to intensive support and one to one tuition.

“No doubt detractors will once again try to pick holes in these achievements – trying to devalue the hard work of pupils, teachers and schools – but this is the time to acknowledge their efforts and congratulate them on their excellent results.”

Opposition politicians said the results highlighted a persistence of underachievement in state schools.

Michael Gove, the Shadow Schools Secretary, released separate figures showing that pupils at independent were almost eight times as likely to achieve the highest grades at GCSE as those in state schools.

Last year 8,558 pupils at independent schools, achieved at last five A* grades, according to figures given to Mr Gove in a Parliamentary answer, representing 18.3 per cent of private school students who sat GCSEs.

In state schools, 12,663 pupils achieved five or more A* grades, which was 2.4 per cent. In academies, the number was 178 pupils or 0.9 per cent.

Mr Gove said: “For all Ed Balls’ talk of class war, after 12 years of Labour he oversees an education system where there is a gulf in achievement between independent schools and state comprehensives.

“We want to close the educational gap between the fortunate few and the rest. That’s why we’ve outlined plans to improve the quality of teaching, give heads proper powers to crack down on bad behaviour and allow educational providers to open a new generation of independently run state schools.

“Only then will we reverse the widening gap which currently acts as a block on opportunity for the poorest.”

David Laws, the Liberal Democrats’ Schools Spokesman, said: “Labour’s failure on education means that there are still thousands of pupils in schools in which most fail to get 5 good GCSEs. This is completely unacceptable in a rich country such as Britain.

“Instead of more daft gimmicks and initiatives from Ed Balls and Gordon Brown, we need action to reduce class sizes and improve school leadership.”

A-Level and GCSE Results LINK

Vielen Frauen ist der Chefsessel nicht wichtig

[Faz.net, 12. Januar 2010]

Frauen arbeiten lieber mit Menschen als mit Maschinen oder Zahlen, sagt die Psychologin Susan Pinker. Nur die wenigsten hätten Ambitionen auf den Chefsessel - weil ihnen Familie und Freizeit genauso wichtig seien, wie die Karriere. Die Schuld schiebt sie auf die Hormone. Ein Interview.

Frau Pinker, Sie behaupten, das 21. Jahrhundert gehöre den Frauen. Wie kommen Sie auf die Idee?

Sie müssen sich nur umschauen: Die Mädchen hängen die Jungs ab, an der Schule genau wie an der Universität. Zurück bleibt eine beunruhigende Zahl junger Männer, die Probleme bekommen.

Sie machen sich Sorgen um die Männer von morgen?

Absolut. Unter ihnen finden sich viele Verlierer. Schon jetzt gibt es deutlich mehr auffällige Jungen als Mädchen; Jungen leiden häufiger unter Konzentrations- und Lernschwächen sowie sozialer Inkompetenz. Gehen Sie einmal zum Kinderpsychologen, zum Sozialarbeiter, in den Jugendstrafvollzug: Dort werden Sie kaum Mädchen finden.

Sie haben als Kinderpsychologin gearbeitet. Verallgemeinern Sie in Ihrem Bestseller „Begabte Mädchen, schwierige Jungs“ nicht einfach Ihre Erfahrungen?

Nein, alle Studien bestätigen: Wir müssen uns um den männlichen Nachwuchs kümmern. Wenn die Gender-Forschung nur ein Zehntel des Geldes, das sie bislang in die Förderung von Frauen investiert, den Jungen zugutekommen ließe, wäre viel erreicht.

Sie meinen, Frauenförderung gehört abgeschafft?

Ich meine, dass Frauen in der westlichen Welt ihre Berufe heute frei wählen können - und das auch tun. Sie können noch so viele „girls days“ an technischen Hochschulen veranstalten: Mehr Ingenieurinnen locken Sie damit nicht an.

Frauen studieren lieber Literatur als Physik?

So ist es. Männer und Frauen haben unterschiedliche Präferenzen. Frauen interessieren sich häufiger für Shakespeare als für Nanoteilchen, sie arbeiten lieber mit Menschen als mit Maschinen oder Zahlen, werden lieber Lehrerin oder Ärztin als Computer-Fachfrau.

Weil sie das eingetrichtert bekommen!

Es gibt genetische Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die können Sie nicht leugnen.

Achtung, hier begeben Sie sich auf gefährliches Terrain.

Ich weiß, der Stoff ist politisch explosiv. Aber schauen Sie: Ich hatte einmal einen Jungen mit Asperger-Syndrom in Behandlung, einer Form des Autismus. Bob war ein Ass in Mathe, begabt im Umgang mit Computern, aber ein Außenseiter mit sozialen Defiziten. Er studiert mittlerweile, will später Computerspiele entwickeln. In der Branche sind Typen wie er glücklich. Die meisten Mädchen dagegen würden verzweifeln.

Mit dem Asperger-Syndrom greifen Sie einen Extremfall heraus.

Es ist nur ein Beispiel. Aber Fakt ist: Unter Männern tritt diese genetische Störung zehnmal so häufig auf wie unter Frauen. Wenn Sie nun per Quote vorgäben, die Hälfte der Computerspiele müssten von Frauen entwickelt werden, würden Sie wenige Frauen finden, die dazu bereit wären. Und Sie würden Jungs um eine Arbeit bringen, die ihnen Spaß macht.

Die Feministin Simone de Beauvoir hat gesagt: „Man wird nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht.“ Hat sie sich geirrt?

Neue Studien der Neurowissenschaften zeigen deutlich: Die Frau ist nicht das Abziehbild des Mannes, es gibt angeborene Unterschiede, auch wenn die Vorstellung abschreckt, weil sie lange als Vorwand für die Unterdrückung der Frau missbraucht wurde.

Sie leugnen 40 Jahre Feminismus.

Ich selbst war Teil der frühen Frauenbewegung und dachte: Wenn wir alle gesellschaftlichen Barrieren einreißen, sind Männer und Frauen gleich. Aber ich musste lernen, dass das falsch ist. Das hat mich anfangs verwirrt. Irgendwann ist daraus die Idee zu meinem Buch entstanden.

Also gut: Warum spielen Jungs mit Autos, Mädchen mit Puppen?

Weil sie unterschiedliche genetische Voraussetzungen haben. Es gibt auch Mädchen, die gerne mit Autos spielen. Aber die Mehrheit greift zur Puppe.

Woher kommt das?

Dahinter stecken die Hormone. Bei Männern spielt das Testosteron eine große Rolle, es macht sie abenteuerlustig, kampfbereit, aggressiv. Frauen hingegen können sich gut einfühlen in andere, haben Mitgefühl. Auch das geht auf ein Hormon, Oxytozin, zurück. Schon im Säuglingsalter reagieren Mädchen auf Gesichter, Jungen auf mechanische Pendel.

Hormone entscheiden über unsere Karriere?

Ich habe eine Frau kennengelernt, die war Professorin in Stanford, hatte also alles erreicht, wovon Wissenschaftler träumen. Und eines Tages entschließt sie sich, zu kündigen, und wird Lehrerin. Sie erhält deutlich weniger Geld, genießt weniger Ansehen, dafür hat sie weniger Stress. Es gibt viele solcher Lebensläufe bei Frauen. Die steigen Stufe um Stufe in ihrem Beruf auf - und plötzlich machen sie etwas ganz anderes. Die Petroingenieurin wird Fitnesstrainierin, die Uniprofessorin wechselt in die Grundschule. Und wissen Sie was? Sie sind meist zufriedener als zuvor. Endlich haben sie Zeit für Familie, Hobbys, Freunde.

Frauen verzichten auf Karriere, um mit dem Dackel spazieren zu gehen?

Um Sachen zu tun, die ihnen wichtig sind. Nur zehn, fünfzehn Prozent der Frauen wollen sich bis an die Spitze durchbeißen - und sind bereit, dafür so viel zu opfern, wie Männer das tun. Den meisten Frauen ist der Chefsessel nicht wichtig. Eine erfolgreiche Frau sattelt gerne um, einen Mann spornt der Erfolg zu noch mehr Ehrgeiz an.

Es gibt also gar keine Seilschaften zwischen Männern, die den Aufstieg der Frauen behindern?

Doch. Aber das Phänomen wird überbewertet. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt, und die Frauen, die zu mir in die Praxis kommen, klagen auch nicht darüber. Die haben andere Probleme.

Welche?

Sie schämen sich dafür, auszuscheren aus dem männlichen Verhaltensmuster, wenn sie eine Beförderung ablehnen. Sie sind verzweifelt, weil sie einen aus Karrieresicht tollen Job haben, sich darin aber unwohl fühlen.

Also liegt es in unseren Genen: Frauen gehören an den Herd?

Jetzt missverstehen Sie mich absichtlich! Ihr Deutschen seid da unglaublich verbohrt. Natürlich sollen Frauen Karriere machen, wenn sie Lust dazu haben. Aber wir müssen aufhören, den Mann als Standard zu sehen. Männer setzen alles auf eine Karte, auf der steht: Karriere, Geld, Macht. Bei Frauen steht daneben noch einiges, was ihnen ähnlich wichtig ist.

Die Familie natürlich! Meinen Sie wirklich, Frauen erfüllt es, ihre Sprösslinge zum Klavierunterricht zu kutschieren?

Ich kenne Frauen, die Teilzeit arbeiten, um freitags selbst Klavier zu spielen, in Museen zu gehen, zu lesen. Die haben gar keine Kinder. Trotzdem wollen sie nicht 40 Stunden im Büro verbringen.

Widerlegen Sie selbst nicht Ihre Thesen? Sie machen Karriere als Bestseller-Autorin, arbeiten wie besessen, sind ständig unterwegs . . .

Nein, ich passe sogar gut zu meiner These. Ich war eine ehrgeizige Psychologie-Studentin, habe ein paar Jahre in einer Praxis gearbeitet, dann habe ich drei Kinder bekommen und die Arbeit stark reduziert, da die Kinder mich in Beschlag genommen haben. Jetzt, da sie groß sind, steige ich wieder ein.

Gender-Forscher argumentieren, mit passenden Rahmenbedingungen würden viele Frauen sich das mit dem Chefsessel überlegen.

Das stimmt. Mit Flexibilität und Arbeitszeitmodellen können Sie mehr Frauen für Führungsaufgaben begeistern. Aber Sie werden nie auf 50 Prozent kommen. Und die Frauen werden eher in kommunikativen Branchen aufsteigen als in der Metallindustrie.

Woher nehmen Sie das Wissen?

Studien haben gezeigt: Je fortgeschrittener die Emanzipation in einem Land ist, desto häufiger wählen Mädchen die klassischen Frauen-Fächer. Der Anteil weiblicher Physik-Studenten liegt in arabischen Staaten deutlich höher als in Westeuropa. Auch in Asien beweisen Frauen sich in Männer-Domänen. Bei uns dagegen machen sie, wozu sie Lust haben. Das ist eine Folge der Emanzipation, die so niemand erwartet hat!

Wenn die Chefetage weiterhin in Männerhand bleibt, warum sorgen Sie sich dann um die Jungen?

Wagemut und Kampfgeist verhelfen Männern zu spektakulären Erfolgen, aber auch zu Rekordzahlen bei Unfällen und Selbstmorden, bei Schulabbrechern und Arbeitslosen. Männer sind ganz oben und ganz unten, Frauen bewegen sich vorwiegend im Mittelfeld. Um die Ausreißer nach unten aber kümmert sich niemand. Für die interessiert sich niemand: Sie auch nicht, Sie fragen nur nach den Frauen.

Heute muss also den Jungen geholfen werden?

Ja, da muss etwas geschehen. Denn immer mehr einfache Jobs in der Industrie, die diese Männer erledigen, verschwinden. Das sind die Arbeitslosen von morgen, die Gewalttäter und Selbstmörder.

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Die Frauenversteherin LINK

Die Kanadieren Susan Pinker, 52, ist Entwicklungspsychologin, Zeitungskolumnistin und Buchautorin. 25 Jahre lang hat sie verhaltensauffällige Kinder behandelt. Eine Zeitlang hat sie zudem als Dozentin an der McGill-Universität in Montreal gelehrt. International bekannt wurde sie mit ihrem Bestseller „The sexual paradox“ („Begabte Mädchen, schwierige Jungs - der wahre Unterschied zwischen Männern und Frauen“), der an den Grundfesten der Frauenbewegung rüttelt. Denn Pinker ist überzeugt davon: Es gibt eine „weibliche Natur“ - und die ist verantwortlich dafür, dass weniger Frauen Karriere machen als Männer. Pinker lebt mit ihrem Mann und drei fast erwachsenen Kindern in Montreal.

Kein Gefühl mehr für sich selbst

[Rundschau-online, 05.01.10]

Von Michael Lenzen


Im Rahmen unserer Serie über Gewaltprävention stellen wir heute die Arbeit der psychologischen Beratungsstelle „Herbstmühle“ vor. Dort stehen besonders die Jungen im Blickpunkt.


Wipperfürth - Sie bietet Sprechstunden in den Schulen und ist oft Anlaufstelle für die Pädagogen, wenn es Schwierigkeiten mit Schülern gibt: die Psychologische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, kurz „Herbstmühle“ genannt. Getragen wird sie vom Verband der Katholischen Kirchengemeinden im Oberbergischen.

Zuständig ist die Einrichtung für Wipperfürth, Lindlar, Hückeswagen, Radevormwald, Marienheide und Engelskirchen mit rund 100 000 Einwohnern. 1200 Familien betreut die „Herbstmühle“ mit ihren acht Mitarbeitern pro Jahr. Dazu bietet sie Sprechstunden in neun Familienzentren und in Schulen an. „Allein können die Schulen nicht alles leisten“, sagt Leiter Ansgar Nowak. Seit zwölf Jahren arbeitet die Einrichtung mit den Schulen in Wipperfürth zusammen. An den beiden Gymnasien und an der Realschule gibt es eine wöchentliche Sprechstunde. „Mit der Hauptschule und der Förderschule haben wir eine gute Zusammenarbeit“, sagt der Diplom-Psychologe.

„Ich glaube nicht, dass es mehr Gewalt gibt als vor zehn oder 20 Jahren“, so Nowak. Sie werde aber deutlich wahrnehmbarer und sie fange auch deutlich früher an. Das Thema sei auch mehr in der Öffentlichkeit. Zudem würden sich immer mehr Betroffene offenbaren. „Gewalt ist in vielen Familien noch üblich, und das ist erschreckend.“ Meistens seien Jungen und junge Männer gewalttätig, Mädchen deutlich seltener.

Seit einigen Jahren registrieren die Fachleute um Ansgar Nowak eine neue Qualität der Gewalt. Bedingt durch Internetseiten wie etwa Schüler-VZ und Handy-Kameras. „Auf das Poster einer Playmate wurde etwa der Kopf einer Klassenkameradin montiert“, berichtet Sozialpädagoge Norbert Dörper. Oder es würden Fotos unter der Toilettentür hindurch gemacht. Die Bilder würden ins Internet gestellt, dazu kämen Rufschädigung oder Beleidigungen, auch per SMS. „Es gibt keinen allgemeinen Schlüssel wo Gewalt anfängt. Für manche Schüler kann schon das Bloßstellen ein traumatisierendes Erlebnis sein“, sagt Nowak.

Täglich werde in der Schule die Rangordnung, der Stellenwert in der Klasse und im sozialen Umfeld überprüft. Oft durch kleine Reibereien, wie Ärgern oder Schubsen, manchmal auch durch Schlägereien. Und die Experten beobachten noch eine andere Entwicklung: Den durch Eltern hervorgerufenen Leistungsdruck schon in der Grundschule. „Schließlich soll das Kind ja aufs Gymnasium“, so Dörper.

Doch Leistungsdruck sei keine Erklärung für die zunehmende Brutalität und die veränderte Qualität bei der Gewalt. „Es gibt bei einigen Jungen deutlich mehr Kälte, kein Gefühl für sich selbst, und daher auch kein Gefühl für das Gegenüber“, schildert er. Die liebevolle Hinwendung, der Respekt, die Bindung und die Vorbilder fehlten. Dabei sei gerade der persönliche Bezug entscheidend. Deswegen setze die Herbstmühle bei ihrer Jungenarbeit auf Akzeptanz, persönliche Wertschätzung und Verständnis für ihre männliche Persönlichkeit. Wobei die Frage „wann ist Mann ein Mann“ ein gesellschaftliches Problem sein. Es gebe viele Klischees von Siegern und Stärke. Die Anforderungen an Männer seien hoch. Männer strampelten sich ab und verwendeten einen großen Teil ihrer Energie für die Arbeit. Aber das werde kaum gewürdigt. Es fehle die gesellschaftliche Diskussion über die Rolle des Mannes.

Die „Herbstmühle“ will den auffälligen Jungen vermitteln: „Du darfst so sein wie Du bist“. Sie sollen sich mit ihren Stärken und Schwächen kennenlernen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen, für Gewalt sensibilisiert werden. „Es ist wichtig, dass sie lernen, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Nowak. In die Arbeit müssten auch die männlichen Bezugspersonen eingebunden werden. „Die Jungen brauchen mehr Männer, die sich in der Erziehung engagieren und sich Zeit nehmen. Jungen benötigen nicht nur Kampf, Druck und Konkurrenz, sondern auch Spaß und Begeisterung mit viel körperlicher Bewegung und sozialem Miteinander.“

In den letzten Jahren habe es viel Aktionen zu Mädchenförderung und Themen wie Sucht und Mobbing gegeben. Für spezielle Jungenarbeit fehlten oft noch konkrete Ansätze und engagierte Männer. „Es ist dringend nötig, dass Jungenarbeit ein wichtiges Thema in jeder Jugendeinrichtung oder Schule wird.“