Zahl der Schulabbrecher soll halbiert werden

[Welt Online, 19 Oktober 2007]

Bonn - Die Kultusminister haben ihren Abiturbeschluss und die Einführung von bundeseinheitlichen Bildungsstandards in der gymnasialen Oberstufe einmütig als "bahnbrechend" bezeichnet. Die Bundesländer hätten ungeachtet ihrer eigenen Vorstellungen über die Gestaltung von Schule gesamtstaatliche Verantwortung bewiesen, sagte der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), der Sozialdemokrat Jürgen Zöllner (Berlin), am Donnerstag in Bonn. Die Kultusminister beschlossen zudem einen Maßnahmenkatalog, um die Zahl der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss in den kommenden fünf Jahren zu verringern - "wenn möglich zu halbieren".


Vorgesehen sind mehr individuelle Hilfen für Risiko-Kinder schon in der Grundschule, Ganztagsangebote, Sprachförderung, Berufspraktika und mehr betriebliche Orientierungsphasen. Die Schulen sollen eng mit der Berufspraxis zusammenarbeiten. Im vergangenen Jahr haben in Deutschland 7,9 Prozent aller Jugendlichen die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen. Angesichts des Fachkräftemangels und der schwindenden Arbeitsmarktchancen für Ungelernte sei ohne Gegenmaßnahmen "mit Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu rechnen", heißt es in dem Beschluss.

Männliche Jugendliche, insbesondere aus Einwandererfamilien, brechen weitaus häufiger die Schule ab als junge Mädchen. Häufig sei schon in der Grundschule erkennbar, "wenn Kinder beginnen, den Anschluss an das Lernen zu verlieren", heißt es in dem Beschluss. Grundschullehrer sollten künftig gegebenenfalls mithilfe von Assistenzkräften vorbeugend gegen Schulversagen vorgehen. Die Sprecherin der SPD-Kultusminister, Doris Ahnen (Rheinland-Pfalz), sagte, wichtig sei, bei der Verbesserung von Schule jetzt nicht allein nur auf das Abitur zu schauen, sondern auch Hauptschüler optimal zu fördern.

Mit ihrem einstimmigen Votum für bundesweit verbindliche Bildungsstandards in den Schuljahren vor dem Abitur hatten die Kultusminister zugleich der weitergehenden Forderung von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) nach einem Zentralabitur eine Absage erteilt. Für die Unionsländer sagte ihr Koordinator, Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (parteilos), der Beschluss sei "mehr als der kleinste gemeinsame Nenner". Schavan hielt an ihrem Vorschlag fest, ein bundesweites Zentralabitur einzuführen: "Einheitliche Bildungsstandards sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Am Ende müssen aber direkt vergleichbare Abschlussprüfungen stehen", sagte Schavan. Das fordere die Öffentlichkeit zu Recht ein.

WAZ: Zu wenig männliche Lehrer: Was Jungen, was Mädchen brauchen


[Finanz Nachichten, 14.10.2007]

Leitartikel von Birgitta Stauber-Klein. Essen (ots) - Der Mann als Grundschullehrer: Er gehört einer seltenen Spezies innerhalb seines Geschlechts an. Schließlich nimmt er ein recht geringes Einkommen in Kauf, und zwar ohne Aussicht, jemals im Laufe seines Berufslebens einen satten Gehaltssprung machen zu können.Erschwerend kommt hinzu, dass es die Gesellschaft zwar für löblich hält, Kinder zu erziehen, ihnen das kleine Einmaleins und die wichtigsten Rechtschreibregeln beizubringen. Gleichzeitig belächelt sie den Mann, der sich um Erziehung und Bildung jüngerer Kinder kümmert - übrigens jeder wissenschaftlichen Erkenntnis zum Trotz, nach der die frühen Jahre entscheidend sind für Entwicklung und Lernerfolg.Geld und Anerkennung, die beiden entscheidenden Triebfedern für die Berufsfindung eines Mannes, fehlen. Den wenigen, die sich ins Kollegium der Grundschulen verirren, darf man unterstellen, sich mit einer gehörigen Portion Idealismus für den Beruf entschieden zu haben.

Dass Jungs so viel schlechter lesen als ihre gleichaltrigen Klassenkameradinnen, dass ihnen Mädchen während der Schullaufbahn den Rang ablaufen - schnell wird die Ursache für dieses Phänomen bei den fehlenden männlichen Bezugspersonen an Schulen gesucht. Es ist auch sicher richtig, dass Jungs einen anderen Umgangston brauchen, einen anderen Lesestoff, eine andere Ansprache. Vor allem brauchen sie jemanden, der sich in ihre speziellen Schwierigkeiten und Bedürfnisse hineinfühlen kann. Stattdessen müssen sie auch mit Lehrerinnen klarkommen, die vom Bewegungsdrang und Konfliktverhalten der Jungs genervt sind.Vor Jahrzehnten war es noch anders. Damals begann man, speziell Mädchen zu fördern - weil sie zu still waren, weil sie selbst nicht auf ihre Fähigkeiten aufmerksam machten. Zudem wurde es auch von ihnen seltener erwartet, in der Schule wirklich erfolgreich zu sein - übrigens obwohl schon damals das Kollegium vieler Grundschulen überwiegend weiblich war.

Inzwischen hat die Mädchenförderung so sehr gefruchtet, dass die Zahl der Abiturientinnen größer ist als die Zahl der Abiturienten. Gleichzeitig sind Jugendliche ohne Schulabschluss überwiegend männlich.Am wohlsten fühlen sich übrigens Mädchen wie Jungen - dann sind sie auch aufmerksam und lernbereit -, wenn der Unterricht interessant ist, wenn der Lehrer/die Lehrerin nett, gerecht und kompetent ist. Was letztlich eine Binsenweisheit ist.Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2Pressekontakt: Rückfragen bitte an: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion
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