Geschlechtertrennung im Unterricht hilft den Schülern

[Die Tagespost, 03.04.2008]

Marie-Theres Kastner MdL (CDU), Bundesvorsitzende der katholischen Elternschaft Deutschlands, über die Pädagogik des Lernens

„Mädchen lernen anders – Jungen auch“ hat die Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) beobachtet und sich deshalb auf ihrem diesjährigen Jahreskongress in Augsburg auf die Suche nach der „Geschlechtergerechtigkeit als pädagogisches Leitkriterium“ begeben. Über die Ergebnisse der Tagung sprach Achim Hermes mit Marie-Theres Kastner MdL (CDU), Vorsitzenden der Katholischen Elternschaft Deutschlands und Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags.


Was ist heute noch vom koedukativen Unterricht zu halten?

Lange Zeit haben Pädagogen und Eltern das hohe Lied des koedukativen Unterrichts gesungen. Seit wenigen Jahren gibt es ernst zu nehmende Untersuchungen, die zumindest in ausgewählten Fächern die Trennung von Jungen und Mädchen empfehlen.

Was eigentlich ist das Problem?

Jungen lesen weniger, bleiben öfter sitzen, sie brechen öfter die Schule ab, sie landen häufiger auf Förderschulen und unter ihnen sind mehr, die keinen Hauptschulabschluss erreichen. Mädchen kommen häufiger zum Abitur als Jungen, sie erhalten mehr Ausbildungsstellen, ihre Arbeitslosenquote ist geringer. Kurz: Die Jungen sind die Bildungsverlierer unseres Schulsystems. Das ist die eine Seite des Problems. Die andere Seite ist, dass sich die besseren Abschlüsse der Mädchen nicht adäquat in ihren späteren beruflichen Positionen widerspiegeln. Daher begründet sich dann, warum es an den Universitäten bis heute klassische von Jungen und Männern dominierte Fächer gibt wie zum Beispiel Ingenieurwissenschaften, ebenso wie es klassische, von Mädchen und Frauen dominierte Fächer gibt wie zum Beispiel das Lehramtsstudium für Grundschulen. Dies hat auch etwas mit der Form des Unterrichts zu tun. Der ist oft noch wenig praxisbezogen, er ist eher theoretisch und wird offenbar als langweilig empfunden. Das betrifft insbesondere die Naturwissenschaften. Gleichzeitig nimmt der Unterricht zu wenig auf die spezifischen Lernbedingungen von Jungen und Mädchen Rücksicht. Wir haben auf der Tagung zum Beispiel einen Workshop mit zwei Lehrerinnen organisiert, sehr erfolgreiche Pädagoginnen, von denen die eine ein Mathematikbuch nur für Mädchen herausgegeben hat. Damit hat sie großen Erfolg. Und sie zeigt damit, dass Mädchen in Naturwissenschaften sehr erfolgreich sein können. Fazit: Es reicht nicht, wenn man allen das gleiche beibringt. Man nivelliert, anstatt die Begabungen individuell zu fördern. Das Ergebnis spiegelt sich dann in der vorwiegend traditionellen Wahl der Universitätsfächer oder Ausbildungsberufe wider.

Warum beschäftigt sich die Katholische Elternschaft Deutschlands mit einem solchen Thema?

Diese Problematik trifft alle Schulen gleichermaßen. Damit trifft sie auch alle Eltern gleichermaßen. Darüber haben die knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung sehr engagiert diskutiert. Schule hat unseres Erachtens dann Erfolg, wenn die Schülerinnen und Schüler als Geschöpf Gottes in ihrer Ganzheit akzeptiert und gefördert werden. Das ist unser spezifischer Ansatz als Katholische Elternschaft Deutschlands. Und diesen Ansatz wollen wir unter die Eltern und in die Schulen tragen.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Zum einen müssen wir in einer echten Erziehungspartnerschaft mit unseren Schulen ins Gespräch kommen, damit sie sich überlegen, wie sie Jungen und Mädchen mehr gerecht werden, zum Beispiel indem sie phasenweise Unterricht nur für Mädchen und eben nur für Jungen einführen. Das ist kein antiquiertes Denken, sondern das ist die Schlussfolgerung aus unserer diesjährigen Tagung. Gleichzeitig müssen unsere Schulen dafür sorgen, dass die Kinder individuell gefördert werden. Die Schulen in unserem Land, die ja vielfach, so wie in Nordrhein-Westfalen oder in Bayern, als eigenverantwortliche Schulen oder selbstständige Schulen angelegt sind, müssen die individuelle Förderung ihrer Jungen und Mädchen viel stärker als den Markenkern oder als das Profil ihrer Schule erkennen und herausarbeiten. Dies wird übrigens in Zeiten sinkender Schülerzahlen auch immer wichtiger für die Schulen selber. Sie müssen erkennen, dass sie nur überleben können, wenn sie ein eigenes und unverwechselbares Profil haben. Und was kann es für ein schöneres Profil, für einen Ort der Bildung und Erziehung geben als die Erkenntnis: Wir geben unseren Schülerinnen und Schülern die bestmögliche Lernkompetenz, die best mögliche, ihren individuellen Begabungen entsprechende Bildung mit auf den Weg?

Wie wird das jetzt umgesetzt, was sind die nächsten Schritte?

Die Ergebnisse dieser Tagung müssen wir als katholische Eltern nun in unsere Heimatgemeinden tragen. Wir müssen sie in die Politik der Bundesländer und in die Politik der Kommunen als Schulträger tragen. Und wir müssen sie an die Schulen vor Ort und zu den Eltern tragen. Dabei werden wir viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Doch das tun wir als katholische Eltern in Deutschland unter dem Motto „Eltermitwirkung macht Schule“ schon seit mehr als 40 Jahren. In dieser Zeit haben wir vor allem eine Erfahrung gemacht: Starke Eltern haben starke Kinder. Deshalb haben wir immer den Mut und das Bekenntnis der Eltern zur christlichen (Werte-)Erziehung ihrer Kinder gefördert und gefordert. Das wird auch unsere prioritäre Verpflichtung in der Zukunft als katholische Eltern sein und bleiben.