Jungen hinken in Schule hinterher


Mainzer Bildungsministerium startet Modellversuch zur gezielten Förderung von Grundschülern

[Main-Spitze, 28.05.2008]

Alexandra Eisen

MAINZ "Wenn die Jungs nicht wären, wäre mein Schulalltag ein Paradies", zitiert Lothar Reuter eine Grundschullehrerin. "Jungs machen in der Schule aber nicht nur Probleme, sie haben auch Probleme", relativiert der Leiter der Fachstelle Jungenarbeit im Paritätischen Bildungswerk Rheinland-Pfalz/Saar diese provokante Aussage. Aus diesem Grund will das rheinland-pfälzische Bildungsministerium jetzt in einem Schul-Modellprojekt Jungen gezielt fördern.
Im kommenden Schuljahr startet das auf drei Jahre angelegte Projekt an drei Ganztagsgrundschulen, die noch ausgewählt werden. Dort sollen in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Jungenarbeit Rheinland-Pfalz/Saar Konzepte ausgearbeitet und erprobt werden, die die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Jungen berücksichtigen; "geschlechtssensible Pädagogik" heißt das Stichwort. Diese Konzepte sollen möglichst schon während des Modellversuchs auf andere Grundschulen übertragen werden. "Wir werden direkt mit den Schülern, Lehrkräften und Eltern arbeiten. Es soll zum Beispiel Projekte und Räume geben, die dem höheren Bewegungsdrang von Jungen entgegenkommen", erläutert Erwin Germscheid von der Fachstelle. Jungen reagierten auf Belastungssituationen anders als Mädchen, erführen eine andere Sozialisation, suchten stärker den körperlichen Wettkampf.

"Internationale Bildungsstudien haben gezeigt, dass Jungen beim Kompetenzerwerb in schulischen Fächern häufig hinterherhinken", sagte Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD). Vor allem im sprachlichen Bereich schnitten die Jungen deutlich schlechter ab als die Mädchen. Einzelne "Reifefenster" zwischen Mädchen und Jungen klafften zweitweise deutlich auseinander. Jungen würden öfter von der Einschulung zurückgestellt und wiederholten öfter eine Klasse (siehe Infokasten). Verstärkt würden die Probleme dadurch, dass es in den ersten Erziehungs- und Bildungsjahren bis zur Grundschule in Deutschland traditionell an männlichen Ansprechpartnern und Rollenvorbildern mangele.
Für den Modellversuch werden bewusst Ganztagsgrundschulen ausgewählt, da es hier einen größeren Zeitrahmen gibt und durch die Kooperation mit außerschulischen Partnern bei Nachmittagsprojekten die Chance besteht, mehr männliche Ansprechpartner einzubeziehen.

Die Ministerin betonte, dass eine gezielte Jungenförderung in der Grundschule nun nicht bedeute, dass Mädchen vernachlässigt würden: "Es geht vielmehr um eine individuelle Förderung mit einem geschlechtsspezifischen Blick."