Erzieher und Grundschullehrer verzweifelt gesucht

[Bildungs Klick, München, 25.08.2008]

BLLV-Präsident Wenzel prangert ungerechte Beschäftigungspolitik an, die zu einer Feminisierung an Grundschulen und Kindertagesstätten führt

Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, hat vor einer weiteren Feminisierung des Lehrerberufs an allen Schularten gewarnt. Besonders dramatisch ist die Situation an den Grundschulen. Auch an Kindertagesstätten sind Männer selten anzutreffen. Die Berufe Grundschullehrer/in und Erzieher/in sind schlecht bezahlt und bieten kaum Aufstiegsmöglichkeiten.

"Das ist ungerechte Beschäftigungspolitik", kritisierte Wenzel. "Es ist unverantwortlich, wenn Schul- und Bildungspolitiker hinnehmen, dass Kindern männliche Rollenvorbilder fehlen. Die körperlichen und seelischen Folgen können für Mädchen und Jungen dramatisch sein." Der Lehrer- und Erzieherberuf muss für Männer und Frauen gleichermaßen attraktiv sein. Dazu gehören die Wertschätzung der Arbeit, vor allem aber eine gerechte und angemessene Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten. "Nur so lässt sich die Attraktivität dieser Berufe steigern und langfristig der niedrige Männeranteil steigern."

Lehrer und Erzieher setzen andere Impulse als ihre weiblichen Kolleginnen. Deshalb ist es wichtig, für eine ausgewogene Präsenz beider Geschlechter zu sorgen. Wenzel: "Mädchen und Jungen müssen die Chance haben, sich an beiden Geschlechtern zu orientieren. Einen partnerschaftlichen Umgang, in dem Frauen und Männer einander mit Wertschätzung und Respekt begegnen, können sie nur dann erleben, wenn es in ihrem Alltag Männer und Frauen gibt." Vielen Kindern fehlen aber männliche Rollenvorbilder. Viele kommen erstmals mit dem Wechsel in die Sekundarstufe dauerhaft in Kontakt mit männlichen Bezugspunkten." Fast jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden. 20 Prozent der Mütter erziehen die Kinder ohne Vater. Von den drei Millionen Alleinerziehenden sind 80 Prozent Frauen. Die meisten Kinder aus Scheidungsfamilien wachsen bei der Mutter auf. Aber auch in intakten Familien erleben viele Heranwachsende den Vater selten.

An Schulen und Kindertagesstätten setzt sich dieses Defizit fort: 2005/06 war im Studiengang Lehramt Grundschule nur jeder 18. Studienanfänger in Bayern ein Mann, auf 944 Frauen kamen 52 Männer. Der Anteil liegt derzeit unverändert bei rund sechs Prozent. Entsprechend unterrepräsentiert sind Lehrer an bayerischen Grundschulen: derzeit unterrichten 86 Prozent Frauen. In Zahlen ausgedrückt: Von den an bayerischen Grundschulen eingesetzten 27.455 Lehrkräften inklusive Fachlehrern sind 23.535 weiblich. An Gymnasien, Real- und Hauptschulen ist der Anteil noch nahezu ausgeglichen. Die Studentenzahlen belegen aber, dass in naher Zukunft auch dort der Frauenanteil ansteigen wird. Nahezu "männerfrei" sind Kindertagesstätten: Der Frauenanteil liegt hier bei 98,9 Prozent. Grundsätzlich gilt: Je jünger die Kinder, desto höher der Frauenanteil.

"Der Mangel an Lehrern und Erziehern geht an den Heranwachsenden nicht spurlos vorbei", betonte Wenzel. Die wenigen Lehrer und Erzieher im Elementarbereich werden von den Kindern als Ausnahmeerscheinungen und Attraktion wahrgenommen. Sie erhalten allein deshalb erhöhte Aufmerksamkeit. Die Gefahr einer verzerrten Wahrnehmung ist groß. Eine Reihe von Studien belegt inzwischen, dass Jungen unter der Feminisierung des Lehrer- und Erzieherberufs leiden. Fest steht auch, dass Mädchen selbstbewusster werden, wenn sie männliche Rollenvorbilder erleben und ernst genommen werden.

Der BLLV-Präsident forderte die Bayerische Staatsregierung dazu auf, langfristig für einen ausgeglichenen Männer- und Frauenanteil an allen Schularten und Kindertagesstätten zu sorgen. "Ohne massive Investitionen in den elementaren Bildungsbereich geht das nicht", stellte er klar. "Das derzeitige Einkommen von Erzieherinnen ist beschämend. Auch die Bezahlung der Grundschullehrerinnen lässt zu wünschen übrig. Niemand braucht sich zu wundern, wenn Männer Berufe in der freien Wirtschaft vorziehen." Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen brauchen vor allem aber mehr Zeit und kleinere Klassen bzw. Gruppen, um sensibel auf besondere Bedürfnisse und Interessen von Jungen eingehen und um Geschlechterdifferenzen zwischen Jungen und Mädchen berücksichtigen zu können."