Annette Wenzig
Wattenscheid. Er selbst sieht sich eher als Exot denn als Quotenmann. „Eine Männerquote gibt’s bei uns ja nicht“, sagt Norbert Sanner. Gäbe es sie – vielleicht würde der 45-Jährige nicht allein unter Frauen arbeiten. Sein Beruf: Grundschullehrer.
Ganz bewusst hat der Pädagoge, seit zwei Jahren an der Gertrudisschule, diese Laufbahn gewählt. „Die Möglichkeit, prägenden Einfluss zu nehmen, ist in den ersten Klassen am höchsten. Das hat mich gereizt.“ Damit steht Sanner als Mann allerdings relativ allein auf weiter Flur: Mehr als 80 Prozent aller Lehrkräfte an Grundschulen sind weiblich.
Während seines Studiums ist Sanner sein Exotenstatus noch nicht so deutlich geworden. „Da gibt es ja generell mehr Leute, und die Männer suchen und finden sich untereinander“, erinnert er sich. „So war es auch im Referendariat.“ Doch angekommen im Schulalltag hat der Pädagoge es mehr als einmal erlebt, der einzige Mann im Kollegium zu sein. „Vor zwanzig Jahren“, sagt er, „gab es an jeder Grundschule noch ein, zwei Männer. Jetzt bin ich meist der einzige.“
Dabei, findet Sanner, sei es für Jungen in einer von Frauen dominierten Umwelt wichtig, positive männliche Vorbilder zu haben. „Es gibt viele allein erziehende Mütter, und im Kindergarten arbeiten fast ausschließlich Frauen“, zählt er auf. So seien die Bilder, die viele Kinder von Männern haben, „Abziehbilder, Schablonen aus dem Fernsehen“.
Was genau den Unterschied ausmacht, kann Norbert Sanner gar nicht so genau sagen. „Aber ich denke, dass ich mit den Jungs hier anders umgehe, als manche Kolleginnen es tun.“ Und er nennt auch gleich ein Beispiel: „Jungs sind körperlicher und versuchen deshalb, auch Konflikte körperlich zu lösen. Ich denke, das wird von Frauen nicht unbedingt immer so akzeptiert.“ Die Kolleginnen an seiner letzten Schule in Sprockhövel, erzählt Sanner, hätten auch festgestellt, dass Männer an viele Dinge gelassener herangingen, es ihnen oftmals leichter falle, Fünfe gerade sein zu lassen. Die Kinder jedenfalls, sagt Sanner, fänden es cool, einen Mann als Lehrer zu haben. „Vor allem die Jungs.“
Woran es liegt, dass er als Grundschulpädagoge allein auf weiter Flur ist, kann Sanner nur mutmaßen. „Ich denke, der Beruf hat ein Imageproblem. Es herrscht die Meinung: Kleinen Kindern das bisschen Schreiben, Lesen und Rechnen beibringen, das kann doch jeder, dazu muss man nicht studieren.“ Oft höre er zwar, er habe einen interessanten Job, „aber es gibt wohl auch diesen Teil, den die Leute nur denken: ,Konnte der sich keinen vernünftigen Job suchen’ oder ,Das ist doch nur was für Frauen’“. Dass seine Arbeit vergleichsweise schlecht bezahlt wird – auch das könne ein Grund für den Mangel an männlichen Pädagogen sein. „Aber mir war schon mit zwanzig klar, dass man als Akademiker, wenn man Karriere machen und viel Geld verdienen will, im Lehramt nicht richtig aufgehoben ist.“ Für ihn habe das aber nie eine Rolle gespielt, sagt Sanner. „Ich fand Grundschule schon immer am spannendsten. Ich komme mit den Kleinen gut klar – es ist einfach das, was mir am ehesten liegt.“