"Ich möchte einen Rechtsanspruch auf Familien-Pflegezeit"


[Die Bundesregierung, 03.03.2010]
Schon jetzt können Beschäftigte für die häusliche Pflege eines Angehörigen ein halbes Jahr aus den Beruf aussteigen. Familienministerin Kristina Schröder will nun einen Rechtsanspruch auf Familien-Pflegezeit von zwei Jahren einführen. Warum das für die Gesellschaft notwendig ist, erklärt sie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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FAZ: Sie haben sich auch eine Gleichstellungspolitik für Jungen vorgenommen und dafür ein eigenes Jungen-Referat im Ministerium eingerichtet. Was soll das tun?

Schröder
: Jungen im Kindergarten oder in der Schule schneiden in vielen Bereichen schlechter ab als Mädchen. Sie schreiben schlechtere Noten, sie verlassen öfter ohne Abschluss die Schule, sie werden öfter kriminell. Offenbar haben wir die Jungen vernachlässigt.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich will jetzt auf keinen Fall irgendetwas an der Förderung der Mädchen ändern - wir sind ja froh, dass es da so gut läuft. Aber wir haben die Pflicht, genau hinzuschauen, ob wir die Jungen nicht auch deutlich besser fördern können. Entwicklungspsychologen sprechen von einem Mangel an männlichen Vorbildern - in den Kitas, in den Grundschulen, vielleicht auch zu Hause. Sie sagen aber auch, dass die Pädagogik sehr weiblich geprägt ist und einseitig das belohnt, wo die Mädchen Vorteile haben.

FAZ
: Sie werden aber schwerlich verordnen können, dass mehr Männer Grundschullehrer werden sollen.


Schröder
: Ich gehöre nicht zu denen, die fordern, dass alle Berufe fünfzig-fünfzig besetzt sind. Männer und Frauen haben im Schnitt unterschiedliche Vorlieben und Fähigkeiten. Ich glaube nicht, dass wir irgendwann fünfzig Prozent E-Technik-Studentinnen haben werden, und ich will sie auch nicht umerziehen, das ist nicht meine Aufgabe.
Aber gerade deshalb müssen wir sehen, ob in der Gesellschaft nicht das, was Frauen leisten, niedriger bewertet wird, als das, was Männer leisten. Als der Grundschullehrer früher ein männlich dominierter Beruf war, da war der Lehrer im Ort hoch angesehen - neben dem Arzt, dem Apotheker und dem Pfarrer. Das ist heute nicht mehr so, und man muss sich eben genau fragen, warum.

FAZ
: Umstritten ist immer noch, wie das Betreuungsgeld ausgestaltet werden soll.


Schröder
: Es bleibt dabei: Wir werden das Betreuungsgeld 2013 einführen. In welcher Form, wird rechtzeitig entschieden.


FAZ
: Immer wieder wurde in der Vergangenheit gefordert, die Erziehungsleistung von Eltern bei der Rente stärker anzuerkennen. Zuletzt hat die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) den Vorschlag gemacht, dass Eltern sowohl niedrigere Beiträge zahlen als auch später eine höhere Leistung erhalten sollten. Unterstützen Sie diesen Vorschlag?


Schröder
: Ich finde, das ist ein hochberechtigtes Anliegen. Zur wirklicher Wahlfreiheit gehört, dass diejenigen, die sich zu Hause der Erziehung der Kinder widmen und damit einen ganz entscheidenden Beitrag zur Funktion des Generationenvertrags und damit unseres Rentensystems leisten, im Alter auch davon profitieren und dass ihre Leistung anerkannt wird.
Die Fragen stellten Stephan Löwenstein und Uta Rasche.