Volksschullehrer fürchten um männliche Identität


[Der Standard,15. März 2010]
Und den Vorwurf der Pädophilie - Geld allein kann nicht mehr Männer in Beruf bringen

Wien - An Volksschulen unterrichten zu 89,6 Prozent Frauen. Warum sich nur so wenige Männer für diesen Beruf entscheiden, zeigt eine Studie von Karin Plattner von der Pädagogischen Hochschule Tirol in der Zeitschrift "Erziehung und Unterricht". Zur Anhebung der Männerquote müsste sich demnach vor allem das Image des Berufs bessern. Derzeit leiden Volksschullehrer nämlich unter der Sorge, ihre männliche Identität zu verlieren. Außerdem glauben sie, sich gegen den Vorwurf der Pädophilie verteidigen zu müssen.

Plattner hat in 30 psychologischen Tiefeninterviews bewusste und unbewusste Einstellungen von Volksschullehrern zu ihrem Beruf abgefragt. Dass so wenige Männer als ersten Beruf jenen des Volksschullehrers wählen, dürfte auch mit dem Alter für die Berufsentscheidung zu tun haben. Zu diesem Zeitpunkt würden diese "noch voll in ihrer Identitätsfindung stecken". Dementsprechend würden unmittelbare Maßnahmen zum Beispiel über Änderungen im Gehaltssystem "zu kurz greifen", Volksschullehrer müssten auch mehr Wertschätzung erfahren.

"Angst vor Verweiblichung"

Die Studie zeigt, dass engagierte Volksschullehrer oft Dinge tun, die "als weiblich" gelten, etwa Märchenerzählen oder das Spielen mit Fingerpuppen. "Die pädagogische Arbeit, die ein Volksschullehrer leistet, wird leider oft nur von den Müttern geschätzt", beklagt ein Befragter. Die Volksschullehrer versuchen dieser "Angst vor Verweiblichung" durch mehr Strenge und Regeln zu begegnen. Sie glauben, dass von Männern in ihrem Beruf auch mehr Autorität und Konsequenz in der Kindererziehung erwartet wird. Von ihren weiblichen Kolleginnen werden sie für ihren distanzierteren Umgang mit den Kindern laut den Interviews sogar beneidet. Hinter dieser Distanz dürfte allerdings auch die Angst stecken, der Pädophilie bezichtigt zu werden. "Wenn Kinder zu stark meine Nähe suchen und sich richtig anlehnen, dann komme ich manchmal in Bedrängnis", so ein Volksschullehrer.

"Mehr gesellschaftliche Wertschätzung"

In fast allen Interview sprechen die Befragten von der "Berufung zum Lehrberuf", sie identifizieren sich voll mit ihrer Arbeit. Offenbar sind die Freiräume - große Eigenverantwortlichkeit, freie Zeiteinteilung und die Möglichkeit, sich über Hobbys oder Zweitberuf zu verwirklichen - Grund genug, trotz geringer Aufstiegsmöglichkeiten langfristig in diesem Berufsfeld zu bleiben. Volksschullehrer pendeln stark zwischen "dem Wunsch nach mehr gesellschaftlicher Wertschätzung und dem Genuss großzügiger Freiraumgestaltung", so Plattner, und glauben oft, sich rechtfertigen zu müssen. So sagt einer der Interviewten: "Ich schäme mich nicht, dass ich Volksschullehrer bin, obwohl ich es nicht offen sagen würde." (APA)